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Länder- und Marktinformationen 10/2024

Afrika

ANGOLA / KONJUNKTUR: GELINGT DER ANVISIERTE UMSCHWUNG?

Angesichts der beträchtlichen Risiken und Herausforderungen stuft Credendo das mittel- bis langfristige politische Risiko, das die Zahlungsfähigkeit eines Landes widerspiegelt, für Angola in die zweitschlechteste Risikokategorie 6/7 ein. Das kurzfristige politische Risiko, das die Liquidität eines Landes widerspiegelt, befindet sich seit einer Aufwertung im Jahr 2021 in Kategorie 5/7.

Der damalige Anstieg der globalen Ölpreise führte zu einer wirtschaftlichen Erholung und einem beachtlichen Leistungsbilanzüberschuss (3 % des BIP 2023). Diese Dynamik geriet 2023 bereits wieder ins Stocken, da die Öleinnahmen hinter den Erwartungen zurückblieben und eine straffe Geldpolitik das reale BIP-Wachstum auf lediglich 0,5 % senkte.

Der kurzfristige Konjunkturausblick für Angola wird von umfangreichen ausländischen Investitionen in Infrastruktur, Öl und Gas sowie in den Bergbau gestärkt und die Perspektiven für das reale BIP-Wachstum der kommenden Jahre steigen auf rund 3 %. Angolas extreme Abhängigkeit von der Ölindustrie – 96 % der gesamten Exporteinnahmen im Jahr 2023 – stellt weiterhin ein wesentliches Problem dar, insbesondere angesichts der globalen Dekarbonisierung und Herausforderungen bei der Produktion.

Liquiditätsdruck und hohe Inflation

Infolge des Ölpreisrückgangs in den Jahren 2015 und 2016 und der kontinuierlichen Abnahme der Erdölfördermengen von 2015 bis 2021 sinken die Währungsreserven seit Jahren. Höhere ölbezogene Zuflüsse in US-Dollar führten 2021 zu einer Stärkung der Währungsreserven, bevor sie 2022 leicht zurückgingen. 2023 stabilisierten sich diese bei rund 13 Mrd Dollar, was einer Deckung von etwa fünf Monatsimporten entspricht und ein gesundes Liquiditätsniveau darstellt.

Volatile Investitionszuflüsse und Kapitalflucht führen regelmäßig zu Finanzierungslücken in der Zahlungsbilanz, wodurch die Verfügbarkeit von Hartwährung auf dem Markt unter Druck gerät. Daher greift die Banco Nacional de Angola (BNA) trotz der Leistungsbilanzüberschüsse auf einige Devisenkontrollen zurück, um ihre Liquiditätsposition aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus lässt sich der anhaltende Druck auf die Reserven dadurch erklären, dass die Wirtschaft stark von Importen abhängig ist.

Seit einem Jahrzehnt kämpft Angola mit anhaltend hohen Inflationsraten (20 % im Jahr 2023). In den vergangenen vier Jahren wurde eine restriktivere Geldpolitik eingeführt, um die Inflation zu senken. Doch ein spürbarer Rückgang wird erst ab 2025 erwartet. Unter der Koordination eines finanziellen Hilfsprogramms des IWF (Dezember 2018 bis 2021) verpflichtete sich die Regierung zur Durchführung einiger kritischer Reformen, wie der Änderung des Mehrwertsteuergesetzes, eines frei schwankenden Wechselkurses, der Teilprivatisierung des staatlichen Ölkonzerns Sonangol und der Reduzierung von Kraftstoffsubventionen.

Der Wert der angolanischen Landeswährung ist ausgesprochen volatil und folgt meist der Entwicklung des Ölmarktes, was eine große Wechselkursinstabilität zur Folge hat. 2018 verzeichnete der Kwanza aufgrund der Abschaffung der Anbindung an den Dollar eine starke Abwertung, was zu enormen Schuldendienstverpflichtungen in Lokalwährung, hoher Inflation und extremen Schwankungen der Tragfähigkeitsindikatoren für die Auslandsverschuldung führte.

Kwanza hat sich jüngst stabilisiert

2021 bewirkten höhere Öleinnahmen eine vorübergehende Trendwende, die 2022 durch die erfolgreiche Emission eines Eurobonds mit zehnjähriger Laufzeit und einem Wert von 1,75 Mrd Dollar gestärkt wurde. Die Volatilität nahm jedoch wieder zu und im Juni 2023 verlor der Kwanza erneut 40 % seines Wertes. Diese Entwicklung spiegelt den Rückgang der Devisenversorgung der Zentralbank wider sowie die unerwartete Schwäche der Ölkonzerne wegen Wartungsarbeiten. Seitdem ist der Kwanza dank BNA-Maßnahmen weitgehend stabil geblieben.

Die Staatsschuldenquote verzeichnete einen Rückgang vom Höchstwert von 139 % des BIP im Jahr 2020 auf schätzungsweise 65 % im Jahr 2022. Ausschlaggebend für diese deutliche Absenkung der öffentlichen Schuldenquote Angolas waren der kräftige Anstieg des BIP und die vorübergehend starke Entwicklung des Kwanza, während die nominale Auslandsverschuldung in Dollar seit 2018 relativ stabil geblieben ist.
Darüber hinaus wurde die Laufzeit der Inlandsverschuldung verlängert, und die Regierung zeigte sich angesichts der Einführung von Reformen zum Schuldenmanagement umsichtig bei der Aufnahme neuer Darlehen. 2023 schnellte die Staatsverschuldung aufgrund des merklich schwächeren Wechselkurses jedoch auf 85 % des BIP, dürfte aber bis 2025 auf rund 62 % zurückgehen. Dies illustriert die hohe Volatilität des öffentlichen Schuldenstands Angolas.

Seit 2020 sind die Schuldendienstkosten dank einer bilateralen Umschuldungsvereinbarung mit China deutlich gesunken. In den vergangenen Jahren war Angola mit Abstand der größte afrikanische Schuldner der Volksrepublik. 2021 konnte Angola mit China eine Vereinbarung in Form einer dreijährigen Zahlungserleichterung schließen, was die Stundung von nahezu 6 Mrd Dollar an Fälligkeiten bedeutete und die Eröffnung einer weiteren IWF-Finanzierungstranche in Höhe von 700 Mio Dollar ermöglichte.

Politisches System als Risikotreiber

Auf politischer und sicherheitstechnischer Ebene wurden seit der Amtsübernahme von Präsident Lourenço im Jahr 2017 Fortschritte erzielt, auch wenn die Herrschaft der MPLA weiterhin umstritten ist. Dies birgt die Gefahr sozialer Unruhen und politischer Destabilisierung. Die begrenzten Beschäftigungschancen sowie die auf die gestiegene Inflation und die Abschaffung der Kraftstoffsubventionen zurückgehenden hohen Lebenshaltungskosten dürften kurzfristig zu anhaltenden öffentlichen Protesten führen. Angolas Schwachstellen sind weiterhin erheblich und haben großen Einfluss auf das Geschäftsumfeld, das Wachstumspotenzial und die Geldwertstabilität des Landes.

MOSAMBIK / NAHRUNGSMITTEL: VON CASHEW BIS KOKOS

Während zahlreiche verarbeitete Lebensmittel importiert werden, baut Mosambik seine Position als Exporteur von Erzeugnissen aus Sonderkulturen aus. Dabei dominieren im Anbau kleinbetriebliche Strukturen. In der Verarbeitung und Logistik engagieren sich internationale Investoren.

Im ersten Halbjahr 2023 waren Cashewnüsse mit Ausfuhren im Wert von 53 Mio US-Dollar das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt Mosambiks. Für 2024 rechnet die Regierung mit einem leichten Anstieg der Produktion um 1,5% auf rund 160.000 t. Aufgrund des Klimaphänomens El Niño wird in diesem Jahr mit Ertragseinbußen durch Trockenheit gerechnet. Landesweit bauen rund 1 Mio meist kleine Betriebe Cashews an. Hauptanbaugebiet ist die Provinz Nampula im Norden des Landes mit rund 300.000 Betrieben und 15 Mio Bäumen. Ein Engpass ist nach Angaben der Provinzregierung die Aufbereitung der Nüsse für die Vermarktung. Nur sechs von 17 Betrieben in der Provinz sind derzeit arbeitsfähig. Gründe dafür werden nicht genannt.

Ausländische Unternehmen investieren

Als zweite Einkommensquelle in diesem Bereich beginnt sich der Anbau und die Verarbeitung von Macadamianüssen zu etablieren. Die Firma Niassa Macadâmia will in der gleichnamigen Provinz neben der Aufbereitung von Mandeln auch eine Anlage für den Versand von Macadamianüssen errichten. AgDevCo aus dem Vereinigten Königreich investiert 10 Mio Dollar in das von südafrikanischen Farmern in Mosambik gegründete Unternehmen Dowson in der Provinz Manicirca. Hier soll die Produktion von Macadamianüssen und Avocados unter Bewässerung von derzeit 270 beziehungsweise 174 ha auf 1.000 ha ausgeweitet werden. Ebenfalls in Manica baut Westfalia Fruits Avocados an. Die Verpackungsanlagen in Chamoio erweitert das südafrikanische Unternehmen 2024.

Kokosnüsse bieten ein breites Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten. In der Zentralprovinz Zambezia plant das Unternehmen East Agro den Bau einer Fabrik zur Verarbeitung von 20.000 Kokosnüssen pro Tag. Aus ihnen sollen Kokosöl, Kokoswasser, Kokosfasern und Kopra gewonnen werden. Hinter der Investition in Höhe von 4,8 Mio Dollar steht das russische Bergbauunternehmen Tazetta, das in Pebane in derselben Provinz den Abbau von Schwersanden betreibt.

Qualitätsstandards bedingen Modernisierung 

Anlässlich des Besuchs einer Unternehmensdelegation aus der chinesischen Provinz Hubei in Mosambik Ende 2023 stellten diese Pläne für ein Zentrum zur Verarbeitung und zum Export von Sesam vor. Zunächst wollen die chinesischen Partner die südliche Provinz Gaza bei der Beschaffung von geeignetem Saatgut und Verarbeitungstechnologien unterstützen. Nach Informationen der Provinzregierung von Gaza werden bereits 300 ha mit Sesam angebaut. Die in Aussicht gestellte Abnahmegarantie aus Beijing könnte diesen Sektor deutlich dynamisieren. Bisher gab es bereits eine Zusammenarbeit zwischen Hubei und Gaza bei der Verbesserung des Reisanbaus in Mosambik.

Auch bei der Verarbeitung von Litschis kommt es auf Qualität an. In der Provinz Manica wurden 2022 etwa 25.000 t der Frucht geerntet, aber nur 490 t exportiert. In den kommenden Jahren will die Provinzregierung die Ausfuhr auf 6.000 t steigern. Ziel sind vor allem europäische Länder. Um die dafür notwendigen Qualitätsstandards einzuhalten, müssen Anbau, Verarbeitung und Verpackung angepasst werden.

Fischfarmen leiden unter Extremereignissen 

Der tropische Wirbelsturm Freddy hat im Februar und März 2023 in Mosambik und einigen Nachbarländern erhebliche Schäden angerichtet. Auch die Aquakulturbetriebe an der Küste des südostafrikanischen Landes wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Pressemeldungen zufolge haben 86 Betriebe der Branche in den vergangenen drei Jahren insgesamt 228 schwimmende Zuchtkäfige durch solche Extremereignisse verloren. Umfangreiche Investitionen in den Wiederaufbau der Branche wurden durch Freddy wieder zunichtegemacht.

Im Oktober 2023 kündigte Präsident Filipe Nyusi den Bau einer Fischfabrik mit einer Verarbeitungskapazität von 90 t Fisch pro Monat in Mocímboa da Praia in der Nordprovinz Cabo Delgado an. Das Projekt ist Teil der Bemühungen, die von jahrelangen Kämpfen zwischen der Armee und islamistischen Aufständischen betroffene Region wiederzubeleben. Außerdem sollen den Hafenstädten Quissanga, Mocímboa da Praia und Palma insgesamt 60 Fischerboote zur Verfügung gestellt werden.

Einer der modernsten Brauereibetriebe Afrikas

Die größte Brauerei des Landes, Cervejas de Mozambique, die zum Konzern AB InBev gehört, hat am Standort Marracuene bei Maputo im Jahr 2023 eine neue Brauerei in Betrieb genommen, die mit Anlagen des deutschen Anbieters KHS ausgestattet ist. Dazu zählen Abfüll-, Reinigungs- und Verpackungsmaschinen. Das Unternehmen betreibt in Mosambik bereits drei Brauereien in Maputo, Beira und Nampula. Das neue Werk hat eine Kapazität von 1,6 Mio Hektolitern pro Jahr. Angaben von KHS zufolge wurde die Produktionsstätte so ausgelegt, dass sie in Zukunft auf bis zu 6 Mio Hektoliter erweitert werden kann. Die Abfüllanlage kann pro Stunde 80.000 der in der Region üblichen 550-Milliliter-Flaschen befüllen. Dabei handelt es sich um Mehrwegflaschen.

NORDAFRIKA / WASSERVERSORGUNG: MIT INVESTITIONEN GEGEN DIE KRISE

Die Länder Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten leiden unter Wassermangel. Und die Lage dürfte sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Nach Daten des „World Resources Institute“ werden die fünf südlichen Mittelmeeranrainer im Jahr 2030 mehr als 80 % ihrer natürlichen, erneuerbaren Wasserressourcen verbrauchen. Sie befinden sich damit alle auf der Liste der 30 Länder weltweit, die am stärksten unter Wasserstress leiden.

Die Region Nordafrika und Nahost (MENA) wurde von den Vereinten Nationen bereits als Klima-„Hotspot“ bezeichnet. Mehrere Modelle zeigen, dass sich das Gebiet doppelt so schnell erwärmt wie der Rest der Welt.
Gleichzeitig nimmt der Wasserbedarf in allen Ländern Nordafrikas stark zu. Das Bevölkerungswachstum ist einer der Hauptgründe. Zudem verlangt die Landwirtschaft – die teilweise auch für den Export produziert – bei höheren Temperaturen und Dürren nach immer mehr künstlicher Bewässerung. Schon jetzt ist der Sektor der mit Abstand größte Wasserverbraucher. An der Spitze stehen Ägypten und Marokko, in denen die Landwirtschaft für mehr als 80 % der Wasserentnahmen verantwortlich ist.

In Marokko sollen bis zum Jahr 2030 rund 50 % der Trinkwasserversorgung über die Meerwasserentsalzung gesichert werden. Um den zunehmenden Mangel anzugehen, baut die Regierung auch das Netz von Verbindungskanälen und Rohrleitungen zwischen dem relativ niederschlagsreichen Norden und dem regenarmen Süden aus.
Deutsche Unternehmen und Zulieferer sind im Königreich vor allem im Bereich der Abwasserreinigung aktiv.

Algerien setzt auf Entsalzung

Fünf große Anlagen zur Meerwasserentsalzung mit einer Kapazität von jeweils
300.000 cbm pro Tag befinden sich gerade im Bau. Nach Abschluss der Arbeiten gegen Jahresende 2024 steigt der Anteil an der Trinkwasserversorgung von aktuell etwa 20 auf dann 40 %. Mit weiteren Projekten soll dieser Wert bis zum Jahr 2030 auf 60 % steigen.

Ausländische Unternehmen sind als Generalunternehmen oder Technologielieferanten an mehreren Stellen aktiv. Diese müssen sich allerdings darauf einstellen, dass die algerische Politik die lokale Wertschöpfung voranbringen will. Sie bevorzugt daher lokal ansässige Unternehmen beziehungsweise Ansiedlungen ausländischer Unternehmen.

In Tunesien stehen die Beteiligungschancen immer dann gut, wenn Projekte im Wassersektor von internationalen Geberinstitutionen, wie zum Beispiel der deutschen KfW Bankengruppe, finanziert werden. Und das ist sehr häufig der Fall. Bei der Lieferung von Wassertechnik herrscht allerdings große Konkurrenz durch Anbieter aus Italien, Frankreich und China.

Die nationale Wasserstrategie Tunesiens beinhaltet neben der Meerwasserentsalzung auch den Aus- und Neubau von Staudämmen sowie den Transfer zwischen Wasserreservoirs. Ein weiteres großes Betätigungsfeld ist die Abwasserentsorgung.

Der Ausbau der Infrastruktur in Ägypten erfordert ebenfalls Investitionen in Milliardenhöhe. Im bevölkerungsreichsten Land Nordafrikas ist die Trinkwasserversorgung bisher hauptsächlich vom Nil abhängig. Um neue Wasserquellen zu erschließen, investiert das Land große Summen in die Wiederverwendung von Abwasser, insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich. Dem Ausbau der Meerwasserentsalzung wird ebenso großes Gewicht zugemessen.
Für deutsche Unternehmen ist Ägypten der wichtigste Zielmarkt für Wassertechnik in Nordafrika. Gut die Hälfte der entsprechenden Ausfuhren in die Region geht in das Land am Nil.

Doch der Vorsprung schwindet. Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen sowie Ägypten kaufen immer mehr Pumpen, Filter, Ventile und andere Ausrüstungsgegenstände für den Wasserbereich bei nicht-europäischen Unternehmen. Insbesondere chinesische Firmen haben stark zugelegt. Auch Anbieter aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben Marktanteile erobert.

SÜDAFRIKA / INFRASTRUKTUR: TRANSNET HAT AMBITIONIERTE PLÄNE

Gute Nachrichten für Südafrikas Zugverkehr: Die Afrikanische Entwicklungsbank hat dem staatlichen Betreiber Transnet einen Kredit über 1 Mrd US-Dollar mit einer Laufzeit von 25 Jahren bewilligt. Mit dem Darlehen soll das Schienennetz saniert und der Betrieb wieder aufgenommen und erweitert werden.

Transnet ist in den vergangenen Monaten zunehmend unter Druck geraten, nachdem der Güterverkehr in Südafrika vielerorts massiv eingebrochen ist. Während 2017/18 noch insgesamt 226,3 Mio t Fracht über die Schiene transportiert wurden – davon 77 Kohle und 58,5 Eisenerz -, waren es 2022/23 nur noch knapp 150 Mio t – ein Rückgang um mehr als ein Drittel. Grund dafür ist vor allem der schlechte Zustand des Netzes, der auf unzureichende Investitionen in Infrastruktur und Ausrüstung, Diebstahl sowie Vandalismus zurückzuführen ist. Dazu kamen externe Schocks wie Überschwemmungen und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Transnet selbst schätzt den Instandhaltungsrückstand der Schieneninfrastruktur auf insgesamt 1,7 Mrd Dollar.

Die wirtschaftlichen Folgekosten sind hoch, da viele Branchen stark exportorientiert sind. Im Bergbausektor etwa musste der Abbau zurückgefahren werden, da die Produkte nicht abtransportiert werden konnten. Der Schwertransport hat sich mittlerweile fast gänzlich auf die Straße verlagert, 2023 waren es über 80% des gesamten Güterverkehrs. Gelangen die Waren in die ebenfalls durch Transnet betriebenen Häfen, ist die Lage nicht unbedingt besser. Die Terminals sind chronisch überlastet, viele Güter warten Tage oder Wochen auf Abfertigung.
Der vom Konzern Ende 2023 vorgelegte Sanierungsplan, der mithilfe der Afrikanischen Entwicklungsbank umgesetzt werden soll, weckt Hoffnungen.

Wichtigstes Ziel ist die beschleunigte Wiederaufnahme des Betriebs und die Erhöhung des Frachtvolumens auf 193 Mio t bis Ende des Haushaltsjahres 2024/25.
Mit einiger Verzögerung kommt zudem die Öffnung des Schienennetzes für private Eisenbahnverkehrsunternehmen ins Rollen. Diese war bereits 2022 vom Kabinett beschlossen, aber noch nicht umgesetzt worden. Den Plänen zufolge wird der Staat Eigentümer der Schienen bleiben und Konzessionen an Betreiber vergeben, die sich wiederum über Gebühren für die Nutzung finanzieren. Informationen zu den Anforderungen und zum Antragsverfahren hat Transnet für Ende September 2024 angekündigt.

Zur Erreichung seiner Ziele fordert das Unternehmen Unterstützung der Regierung in Pretoria. So müssten etwa die Anforderungen für die Beschaffung gelockert werden, insbesondere für Ersatzteile von Lokomotiven, aber auch in Bezug auf komplexe regulatorische Bestimmungen.

Deutsche Konzerne bereits an Bahnprojekten beteiligt

Für deutsche Unternehmen könnte die Öffnung des Sektors interessante Geschäftschancen bieten – sowohl bei der Lieferung von rollendem Material als im Infrastrukturbereich in Form von Ingenieur-, Beratungs- und Betreiberdienstleistungen. Im Personenverkehr gibt es bereits Beteiligung: Über seine südafrikanische Tochterfirma IFE beliefert das Münchner Unternehmen Knorr-Bremse die neuen X?Trapolis-Züge der Passenger Rail Agency of South Africa (PRASA) mit Türantrieben, Türblättern und Scheibenwischern. Fast alle Komponenten werden lokal produziert.

Der Personenverkehr spielt in Südafrika bislang eine untergeordnete Rolle. PRASA will das ändern: Mehr als 2,7 Mrd Dollar sollen bis Ende 2026 unter anderem in Reparatur und Modernisierung des Schienennetzes und der Bahnhöfe, Erneuerung der Fahrzeugflotte sowie Signalanlagen fließen. Auch hier könnten Unternehmen aus Deutschland zum Zug kommen.

Amerika

CHILE / AGRAR: GEWAPPNET GEGEN DEN KLIMAWANDEL

Chile verfügt über eine starke Land- und Forstwirtschaft. Wein und Trauben, Äpfel und Kirschen gehören zu den Exportschlagern des Andenstaates. Doch ohne künstliche Bewässerung sind diese Erfolge undenkbar – der Sektor kommt auf über 70 % des Wasserverbrauchs.

Doch das ist in vielen Landesteilen rar und wird angesichts des spürbaren Klimawandels noch knapper. Allerdings liegt die Effizienz des Wassereinsatzes in der Landwirtschaft auch nur bei 45 %. Dies zeigen Zahlen des Zentrums für Wasserressourcen für Landwirtschaft und Bergbau CRHIAM. Möglich wären laut CRHIAM aber 80 %, rund 30 % gingen allein bei der Verteilung verloren. Das International Journal of Agricultural and Natural Ressources berichtete 2021 für Chile von einer „ökonomischen Wasserproduktivität“ von 0,52 US-Dollar pro cbm; dagegen lag die Durchschnittsproduktivität des Sektors in ganz Lateinamerika laut Weltbank 2019 bei 1,01 Dollar pro cbm.

Dabei ließen sich laut Branchenexperten häufig schon mit einfachen Mitteln große Effizienzsteigerungen erzielen. Vor allem viele Kleinbauern leiten das Wasser aus den Bergen wie eh und je auf ihre Felder.

Daneben gibt es große Agrarbetriebe, die mit Hightech aus jedem Wassertropfen das Maximum herausholen. Genutzt werden beispielsweise digitale Monitoringsysteme wie Telemetrie und der Einsatz von Luft- und Satellitenbildern bis hin zum exakten Verbringen des Wassers dorthin, wo es gebraucht wird. Allerdings scheitern solche Systeme in abgelegeneren Regionen – abgesehen von der Finanzierung – oft an der mangelhaften Internetabdeckung.

Der Umgang mit Wasserknappheit ist deshalb auch ein Thema für die Stiftung für innovative Landwirtschaft FIA, die zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium Projekte im Wasserbereich finanziell unterstützt. Nach Ansicht einer FIA-Vertreterin mangelt es überdies an Ansätzen für eine regenerative Landwirtschaft, die neben einer wassersparenden Bewässerungskultur auch den Bodenschutz einschließt. Hier gäbe es großen Bedarf an Know-how und bezahlbarer Technologie. Insbesondere Referenzprojekte wären hilfreich.

Fokus liegt auf Ernährungssicherheit 

Chile exportiert zwar viel Wein und Obst. Doch hängt das Land bei Basisprodukten von Importen ab. Bei Weizen lag der Anteil 2022 laut dem nationalen Statistikamt bei rund 52 %. Noch höher ist die Abhängigkeit bei Mais (80 %) oder Reis (73 %). Allerdings hat Chile bei solchen Erzeugnissen strukturelle Nachteile: Es mangelt an großen Flächen, die zusätzlich bewässert werden müssten. In der Folge steigen die Preise für Agrarnutzflächen stark an, vor allem, wenn sie über Wasserrechte verfügen.

Wie selbst in der trockenen Atacama-Wüste der Boden mit intelligenter Technik fruchtbar gemacht werden kann, zeigt die landesweit agierende private Agrargenossenschaft Cooprinsem. Sie installierte 2022 dort im Auftrag von Sergio Hudson Investments eine Pivot-Bewässerungsanlage der österreichischen Firma Bauer. Diese kreisrunde Beregnungsanlage deckt 42 ha ab. Das nötige Wasser kommt aus einem Tiefbrunnen, der sich aus Niederschlägen aus den Anden speist.

Bislang waren die Anbaumöglichkeiten dort auf kleine Täler mit besonderem Mikroklima beschränkt – abgesehen von einem kleinen Bewässerungsprojekt für Olivenbäume. Die Erträge waren niedrig, geerntet wurden vorwiegend Kartoffeln. Doch jetzt können auch andere Nutzpflanzen kultiviert werden. Der Mehrertrag macht die Investition nach Aussage der Betreiber rentabel.

Den Ausschlag für die Investition gaben, so Cooprinsem, das Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Zuverlässigkeit, das heißt die Nutzungsdauer und die Anpassungsfähigkeit der Anlage an das widrige lokale Klima.

LATEINAMERIKA / INFRASTRUKTUR: BETREIBERMODELLE UND PPP – CHANCEN FÜR DEUTSCHE UNTERNEHMEN

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Staaten in Lateinamerika zu wenig in Straßen, Bahnstrecken, Häfen sowie die Wasser- und Energieinfrastruktur investiert. Das bremst das Wirtschaftswachstum und hemmt den Handel innerhalb der Region.
Im Jahr 2023 gaben die Länder Lateinamerikas 2,2 % ihrer Wirtschaftsleistung für Investitionen in die Infrastruktur aus. Das zeigen Berechnungen der Economist Intelligence Unit (EIU) und von Global Infrastructure Hub. Notwendig wären aber 3,5 %. Die Investitionslücke von 1,3 Prozentpunkten entspricht einem Wert von 90 Mrd US-Dollar.

Die EIU schätzt, dass sich die Lücke auch künftig vergrößert. Statt der erforderlichen 250 Mrd Dollar dürften von 2024 bis 2028 jährlich nur 160 Mrd Dollar in die Infrastruktur fließen. Ein Grund hierfür sind die knappen Mittel und hohen Schuldenstände.

Viele Länder setzen bereits seit langem auf private Investoren, sei es im Rahmen von Betreibermodellen oder öffentlich-privater Partnerschaften. Das bietet Chancen für deutsche Unternehmen, denn in der Regel achten private Betreiber bei ihren Investitionen mehr auf die langfristige Wirtschaftlichkeit und Effizienz als staatliche Akteure.

Der größte Teil der Investitionen entfällt auf Brasilien, Global Data beziffert den Anteil 2023 auf 42 %. Wie die Vorgängerregierungen setzt auch Präsident Lula da Silva auf Betreibermodelle. Die größten Projekte werden im Rahmen des 2016 gestarteten Programa de Parceiras de Investimentos (PPI) vergeben.

Nach einer Schwächephase 2023 ist künftig wieder mit mehr Versteigerungen zu rechnen. Im Jahr 2024 sollen 56 Projekte mit einem Investitionsvolumen von knapp 35 Mrd Dollar vergeben werden, darunter der Bau von Autobahnen, Konzessionen für Häfen sowie für Stromtrassen. Für Impulse sorgt das im Sommer 2023 verabschiedete Programa de Aceleração do Crescimento, in das 92 PPI-Projekte übernommen wurden.

Auch in Mexiko bietet sich ein brites Feld. Das Land erlebt einen Nearshoring-Boom. Das erfordert Investitionen in neue Fabriken, Lager und Logistik, darunter den Ausbau von Schienenwegen in die USA.

Auch in Kolumbien gibt es Pläne zum Bau einer alternativen Route zum Panamakanal. Hierzu will das Unternehmen Zergratan Häfen an der Pazifik- und Karibikküste bauen und diese mit einem Eisenbahntunnel verbinden. Die Regierung setzt auf den Ausbau und die Wiederinbetriebnahme von Bahnstrecken sowie die Erweiterung von U-Bahn- und Nahverkehrsstrecken.

Milliardenschwere Projekte verfolgt auch Peru. Ein Großprojekt könnte im November 2024 fertiggestellt werden – der Hafen Chancay, den der chinesische Konzern Cosco für 3,6 Mrd Dollar an der Pazifikküste baut.

China ist zunehmend präsent. Um ein Gegengewicht zu schaffen, hat die EU die Global-Gateway-Initiative ins Leben gerufen. Lateinamerika ist eine Schwerpunktregion. Rund 45 Mrd Euro will die Staatengemeinschaft bis 2027 bereitstellen.

Der Ausbau der Infrastruktur bietet Chancen für deutsche Unternehmen. Bei Großprojekten sind die Länder der Region vielfach auf Ausrüstungen aus dem Ausland angewiesen. Deutschland zählt zu den wichtigsten Lieferanten von Baumaschinen. Auch für beratende Ingenieure bieten sich Chancen, nicht zuletzt bei Entwicklungsprojekten.

PERU / INFRASTRUKTUR: GLOBAL GATEWAY SCHNÜRT INVESTITIONSPAKETE

Olivier Coupleux ist Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der EU-Delegation in Peru. Im Interview spricht er über die Chancen und Herausforderungen von Global Gateway in Peru.

GTAI: Herr Coupleux, welche Rolle spielt Global Gateway in Peru?
Olivier Cuoplex: EU-Unternehmen und -Mitgliedstaaten haben bereits in diversen wichtigen Sektoren wie Digitalisierung und Energie investiert. Allerdings verstärken auch andere internationale Partner Perus ihre Präsenz im Land – beispielsweise China mit Investitionen in den Hafen von Chancay. Ziel der Global-Gateway-Initiative ist es, Peru ein koordiniertes EU-Investitionsangebot zu unterbreiten. Unternehmen aus der Europäischen Union werden so attraktive öffentlich-private Investitionspakete anbieten können, die nachhaltig sind und den höchsten Sozial- und Umweltstandards entsprechen.

Was sind weitere Ziele von Global Gateway?
Global Gateway ermöglicht es der EU und europäischen Unternehmen, mit Peru bei Fragen der Regulierung oder zur Investitionserleichterung zusammenzuarbeiten und mit einer europäischen Stimme zu sprechen. Global Gateway zielt zudem darauf ab, durch seine Investitionen europäische Werte zu fördern, zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeit, Umwelt und soziale Fragen.

Was ist dabei erfolgskritisch?
Es ist wichtig, dass das peruanische Wirtschafts- und Finanzministerium und andere Ministerien ihre Investitionsprioritäten so klar wie möglich definieren, ihre Projektportfolios ausgereift sind und sie ihre Finanzierungszusagen während der Projektdurchführung einhalten.

Und welche Herausforderungen bestehen?
Für die EU, ihre Mitgliedstaaten und die europäischen Unternehmen kann die Zusammenarbeit in Investitionsfragen manchmal kompliziert erscheinen. Aber es ist zu hoffen, dass die wirtschaftlichen Erfolge das Interesse an einer Zusammenarbeit verstärken.

Wie können deutsche Unternehmen davon profitieren?
Mit Global Gateway will die Europäische Union gemeinsam mit der peruanischen Regierung neue öffentlich-private Investitionssektoren erschließen. Investitionsmöglichkeiten im Bergbau, Agrarexport, bei der Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Wasserwirtschaft sowie Umwelt spielen eine Schlüsselrolle. Deutsche Unternehmen haben dabei mit Technologie und Know-how viel zu bieten. Daraus ergeben sich vielfältige Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen.

USA / ERNEUERBARE ENERGIEN: ZIEL IN WEITER FERNE

Die Klimapolitik hat unter US-Präsident Joe Biden einen Sprung nach vorn gemacht. Die Treibhausgasemissionen der Vereinigten Staaten sollen bis 2030 um 50 % sinken – im Vergleich zu 2005. Bis 2050 werden dann 0 % angestrebt.

Zur Erreichung der Vorhaben wurde im Sommer 2022 der Inflation Reduction Act (IRA) erlassen. Unternehmen, die in geförderte Bereiche investieren – etwa regenerative Energiequellen, Elektromobilität oder grüne Industrien – bekommen 30 bis 50 % ihrer Investitionskosten steuerlich sofort gutgeschrieben. Das Programm läuft bis Ende 2031 und ist nicht gedeckelt.

Die Reaktionen vonseiten der Wirtschaft folgten prompt. Laut der Solar Energy Industry Association (SEIA) kündigten Unternehmen im Lauf der Jahre 2022 und 2023 Investitionen in Fabriken zur Produktion von Photovoltaik-Anlagen im Umfang von rund 100 Mrd US-Dollar an. SEIA errechnete, dass die Produktionskapazitäten für die gesamte Supply Chain bis 2026 auf 155 GW und bis 2033 auf knapp 670 GW anwachsen werden.

Auch die amerikanischen und internationalen Autohersteller verstärken ihr Engagement. So wurden in den USA bis Anfang 2024 insgesamt 185 E-Mobilitätsprojekte mit einem Investitionsvolumen von fast 190 Mrd Dollar bekannt gegeben, berichtet der Environmental Defense Fund.

Doch die Nachfrage nach Elektroautos entwickelt sich viel schwächer als vermutet. Im zweiten Quartal 2024 stieg der Absatz laut Cox Automotive um enttäuschende 11 %. In den Vorjahren gab es noch Zuwachsraten von rund 40 %. Der Anteil an den Gesamtzulassungen lag zwischen April und Juni 2024 bei lediglich 8 %. Vom offiziellen 50%-Ziel für 2030 ist man damit meilenweit entfernt.

China als direkter Konkurrent

Zugleich baut China seine Fertigungskapazitäten für grüne Industrien weiter aus. Schon jetzt ist das Land bei Solarzellen Weltmarktführer und auch bei Batterietechnik kämpft es um die vorderen Plätze. Ende 2023 beliefen sich die Fertigungskapazitäten für Photovoltaik-Anlagen in dem Land auf rund 860 GW, berichtet die China Photovoltaic Industry Association. Das entsprach in etwa dem doppelten der weltweiten Nachfrage. Branchenanalysten erwarten einen weiteren Zuwachs um mehrere 100 GW in den nächsten Jahren.

Dank Skaleneffekten und staatlicher Subventionen fluten chinesische Hersteller den Weltmarkt mit billiger Solartechnologie. Laut Wood Mackenzie summierten sich die entsprechenden Exporte 2023 auf rund 230 GW. Branchenanalysten haben berechnet, dass die Preise für in den USA produzierte Solarzellen in etwa drei- bis viermal so hoch wie entsprechende Produkte „made in China“ ausfallen. Auch die chinesischen Hersteller von Elektroautos setzen angesichts eines schwachen Inlandsgeschäfts auf den Export. Hier fallen die Preisunterschiede zwar nicht ganz so hoch aus. Doch der Markt ist wertmäßig betrachtet viel wichtiger.

Noch stehen die Autohersteller zu ihren Investitionsplänen in den USA. In der Photovoltaik-Branche werden allerdings seit Anfang 2024 angesichts des rasanten Preisverfalls immer mehr Projekte auf Eis gelegt. Im Mai zog US-Präsident Biden deshalb die Notbremse. Für Importe chinesischen Ursprungs kündigte er Zollerhöhungen für Solarzellen auf 50 % sowie für Elektroautos auf 100 % an.

Für ausländische und auch deutsche Unternehmen bietet der Aufbau der grünen Industrien zahlreiche Geschäftschancen. Für die Produktion von Solaranlagen und Elektroautos wird Fertigungs- und Automatisierungstechnik benötigt. In den Fabrikhallen kommt modernste Gebäudetechnik zum Einsatz. Zugleich werden Abwasser- und Abfalltechnik gebraucht. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit spielen bei den Projekten ebenfalls eine wichtige Rolle.

Deutsche Anbieter haben hier vielfach einen Wettbewerbsvorteil. In zahlreichen Maschinenbausparten gibt es nicht ausreichend spezialisierte amerikanische Hersteller. Bei Energieeffizienz und Recycling fällt der technologische Rückstand der Vereinigten Staaten besonders groß aus. Für die geförderten Projekte gelten zwar lokale Wertschöpfungsquoten, die zumeist bei 30 bis 40 % liegen. Allerdings werden Ausnahmegenehmigungen erteilt, wenn es keine inländischen Anbieter gibt.

USA LOGISTIK: ALLES AUTOMATISCH

Die US-Unternehmen investieren viel Geld in moderne Lagertechnik. Ein Grund hierfür ist die robuste Inlandskonjunktur. Doch auch der Fachkräftemangel und die hohen Zinsen spielen eine wichtige Rolle. Gleichzeitig müssen die Firmen die Lagerbestände hoch halten – angesichts geopolitischer Spannungen und weltweiter Unsicherheiten der Transport- und Lieferketten.

So stören der niedrige Wasserstand am Panamakanal, Seepiraterie sowie Angriffe der Huthi-Rebellen auf internationale Frachter im Roten Meer den Schiffsverkehr. In der Folge peilen die Frachtraten zwischen chinesischen und US-Häfen zum Sommer 2024 Werte an, die an die Pandemie inklusive der Lieferprobleme damals erinnern.

Anreize für Investitionen in moderne Lagertechnik kommen auch von den hohen Zinsen. Denn für die Logistikbranche spielen die im Lager gebundenen Finanzmittel und die dadurch entstehenden Kapitalbindungskosten eine wichtige Rolle. Zwar verteuern zugleich die hohen Zinsen die Investitionen. Doch indem neue, intelligente Systeme die Warenbestände verringern, wird dieser Effekt überkompensiert. Bislang hält sich die US-Notenbank Fed mit Zinssenkungen noch zurück. Erst 2025 könnten größere Schritte folgen.

Der Druck der Kapitalbindungskosten nimmt damit nur langsam ab. Auch der US-Arbeitsmarkt bleibt leer gefegt: Die Erwerbslosenquote betrug im Mai laut Arbeitsministerium 4 %. In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel – Fluktuation und Lohndruck bleiben hoch. Das alles zwingt die Unternehmen zur Automation. Auch weil die Firmen kein Home-Office anbieten können, finden sich nicht genügend Menschen, die im Lager arbeiten wollen – also müssen Roboter ran.

Nachfrage nach KI-Anwendungen steigt

Die Unternehmen sind daher vor allem daran interessiert, die bestehenden Lagerflächen intensiver, kostengünstiger und personalärmer betreiben zu können. Dies lässt sich im Prinzip nur in modernen und vor allem hohen Hallen bewerkstelligen.

Laut der Immobilienfirma CBRE gibt es eine starke Nachfrage nach Lagerräumen, die nach 2018 fertiggestellt wurden. Denn diese sind viel höher und in der Regel insgesamt so projektiert, dass sich modernste Lagertechnik einsetzen und der Raum optimal ausnutzen lässt. Bei Immobilien vor dem Baujahr 2018 gibt es relativ viel Leerstand.

Bislang fokussierten sich die Firmen bei ihren Investitionen in Lagertechnik auf die Hardware in Form von hochautomatisierten Systemen. Branchenprimus Amazon setzt nach Angaben von CBRE bereits 750.000 Roboter ein. Künftig werden in der Logistik Effizienzverbesserungen durch Software und Künstliche Intelligenz eine zunehmende Rolle spielen.

Amazon ist Vorreiter in Sachen moderner Lagerhaltung. Jedoch hat der E-Commerce-Riese in den letzten Jahren dermaßen stark in neue Technologien investiert, dass Analysten bereits von „Überinvestitionen“ sprechen. In Zukunft liegt die Initiative damit bei anderen Firmen. Lediglich 21 % aller Lagerhäuser setzten 2023 irgendeine Form von Robotik ein, so Interact Analysis. Immerhin kam dies gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von sechs Prozentpunkten gleich. Doch der Anteil der hochautomatisierten Lager dürfte noch einmal deutlich unter diesem Wert liegen – vermutlich im einstelligen Bereich. Damit bleibt noch sehr viel Luft nach oben.

Markt steht noch ganz am Anfang

Die Branche sieht rosigen Zeiten entgegen: Das Volumen des US-Marktes für Lagerautomation beziffert das Marktforschungsunternehmen Statzon für 2023 auf
8 Mrd US-Dollar. Künftig wird ein jährliches Nominalwachstum von nahezu 12 % erwartet. Mordor Intelligence kommt für 2023 für den nordamerikanischen Markt auf einen Wert von knapp 6 Mrd Dollar.

Bis 2029 erwarten die Analysten einen Anstieg auf fast 15 Mrd. Das käme einem Wachstum von 17 % per annum gleich. Die Consultants von Persistence kommen für den vorliegenden Zeitraum und die Region auf einen Anstieg von 7,5 Mrd auf rund
17 Mrd Dollar (gut 17 % Wachstum pro Jahr). Damit liegen die Vorhersagen ziemlich nahe beieinander, was bei Marktberichten für die USA nicht immer üblich ist.

Gemäß Mordor Intelligence gab es 2021 rund 20.000 Lagerfirmen in den USA. Diese tätigen aber nur einen Teil der Ausgaben für Automatisierungstechnik. Hinzu kommen die Aufwendungen der Einzelhändler, des E-Commerce und der verarbeitenden Industrie, die alle eigenständige Lager unterhalten.

Starker Wettbewerb für ausländische Anbieter

Das Marktwachstum schafft auch Absatzchancen für deutsche Anbieter, einige haben in den USA bereits Tochtergesellschaften gegründet. Sie treffen dort auf eine starke und gut etablierte heimische Konkurrenz. Dematic etwa ist der weltweit größte Anbieter von Automatisierungstechnik. Der Mischkonzern Honeywell unterhält eine eigene Sparte für Lieferkettentechnik.

US-Lebensmittelkonzerne und Einzelhändler setzen in jüngster Zeit stark auf Systeme von Symbotic. Amazon produziert mit seiner Tochtergesellschaft Kiva Systems eigene Roboter. Auch zahlreiche internationale Firmen sind vor Ort vertreten. Bastian Solutions, eine Tochter der Toyota-Gruppe, bietet integrierte Systeme an. Der japanische Elektrokonzern Omron, eigentlich bekannt für Medizintechnikprodukte, unterhält eine Tochtergesellschaft für Lagerautomation.

Daneben gibt es Spezialanbieter: So bietet beispielsweise die Panasonic-Tochter Blue Yonder Software an. Mordor Intelligence stuft den Konzentrationsgrad innerhalb der Branche für 2024 als mittel ein. Kleinere Nischenfirmen ergänzen die Anbieter von Komplettsystemen.

USA / NAHRUNGSMITTEL: MODERNISIERUNG AUF BREITER LINIE

Der wachsende Inlandsverbrauch und die Arbeitskräfteknappheit führen zu einer Modernisierungswelle innerhalb der Branche. Sehr begehrt dabei: Maschinen aus Deutschland. Die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie in den USA bleibt absatz- und investitionsseitig auf Wachstumskurs. Denn Bevölkerung und Lebensmittelverbrauch legen stetig zu.

Zugleich ist eine Erhöhung der Fertigungskapazitäten angesichts des Fachkräftemangels nur durch erhebliche Produktivitätssteigerungen möglich – mittels Robotik und Automatisierungstechnik. Besonders hoch ist der Modernisierungsdruck in der Fleischverarbeitung. Laut dem Fachmagazin Meat & Poultry wollen die Branchenunternehmen im Jahr 2024 gut 11 % des Jahresumsatzes für Investitionen ausgeben. Ähnliche Trends zeigen sich in der Backwarenindustrie. Rund 56 % der Firmen beabsichtigen 2024 eine Erhöhung ihrer Investitionsausgaben, so das Ergebnis einer Umfrage von Baking & Snack.

IRA beeinflusst ausländische Unternehmen kaum

Gemäß der Boston Consulting Group wendet die US-Fleischindustrie rund 5 % ihres Umsatzes für Automatisierungstechnik auf. Das entspräche allein 2024 einer Summe von 14 Mrd bis 15 Mrd US-Dollar. Die Unternehmensberatung geht für die kommenden Jahre von weiter wachsenden Investitionen aus. Cargill, der drittgrößte Rindfleischproduzent des Landes, plant zwischen 2023 und 2026 nach eigenen Angaben entsprechende Aufwendungen in Höhe von 700 Mio Dollar. Die Konkurrenz von Tyson hatte bereits 2021 ein langfristiges Automatisierungsprogramm im Umfang von 1,3 Mrd Dollar angekündigt. Ende 2023 nahm Tyson eine 300 Mio Dollar teure Geflügelverarbeitungsanlage in Betrieb.

Von diesen Investitionen können auch ausländische Anlagenbauer profitieren. Insgesamt legten die Einfuhren an Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen 2023 um gut 9 % auf einen Rekordwert von 5,8 Mrd Dollar zu, berichtet die U.S. International Trade Commission. Im Vergleich zu 2018 war das ein Anstieg von 43 %. Für das erste Quartal 2024 ergab sich laut der Behörde ein Plus von gut 5 %. Damit dürften die Branchenimporte Ende 2024 die 6-Mrd-Dollar-Grenze überschreiten.

Der in den USA in den letzten Jahren deutlich schärfere Protektionismus spielt für ausländische Anbieter von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen kaum eine Rolle. Relevant sind die Mindestquoten an lokalen Wertschöpfungsanteilen („local content“) vor allem bei öffentlichen und staatlich geförderten Projekten. In der Nahrungsmittelbranche agieren aber fast ausschließlich private Unternehmen, die kaum von den großen Konjunkturprogrammen wie dem Inflation Reduction Act (IRA) profitieren.

Maschinen-„Made in Germany“ auf Platz 1

Deutschland konnte 2023 seine Lieferungen von Branchenmaschinen in die USA um 27% auf 1,3 Mrd Dollar steigern. Italien erzielte eine gleich starke Wachstumsrate und landete knapp dahinter auf Rang 2 der Zollstatistik. Viele Hauptwettbewerber verbuchten ebenfalls satte Zuwachsraten. Lediglich China und Japan mussten sich mit Verlusten abfinden.

Dieser Trend zeichnete sich auch in zahlreichen anderen Sparten des Maschinenbaus ab. Bei Japan dürften vor allem Wechselkursänderungen für den wertmäßigen Rückgang verantwortlich sein. Bei China kommen strukturelle Gründe hinzu: Nach den Störungen der internationalen Lieferketten im Zuge der Coronapandemie reduzieren US-Firmen ihre Abhängigkeit von chinesischen Zulieferungen.

Die deutschen Maschinenbauer verfügen teilweise über eigene Fertigungskapazitäten in den Vereinigten Staaten. Oftmals handelt es sich dabei um Werke, in denen relativ einfache Montageschritte stattfinden. Dadurch können die in Übersee montierten Anlagen das in den USA begehrte Siegel „made in America“ erhalten – auch wenn die Kernkomponenten aus der Heimat stammen, wo auch Forschung und Entwicklung angesiedelt sind.

Verarbeitung wichtigste Abnehmersparte

Die meisten US-Lebensmittelhersteller haben sich in den wohlhabenden Zentren an der West- und Ostküste angesiedelt. Von den laut US-Landwirtschaftsministerium gut 40.000 Betrieben waren 2021 mehr als 6.000 in Kalifornien ansässig. New York und das angrenzende New Jersey rangierten zusammengerechnet mit knapp 3.000 Firmen auf Rang 2. Auf dem dritten Platz folgte Texas mit fast 3.000 Unternehmen.

Laut dem Landwirtschaftsministerium bildet die nahrungsmittelverarbeitende Industrie zusammen mit der Kraftfahrzeugbranche die größte Sparte des produzierenden Gewerbes. Sie erzielte 2021 einen Umsatz von 1 Bill Dollar und beschäftigte 2,1 Mio Menschen. Neuere offizielle Daten lagen im Frühjahr 2024 nicht vor. Die Fleischverarbeitung war innerhalb der Branche die mit Abstand wichtigste Sparte.

Großkonzerne dominieren Fleischmarkt

Je nach Produktart gibt es einen unterschiedlichen Konzentrierungsgrad. So kontrollieren nach Angaben von Analysten vier Unternehmen rund 85 % des Marktes für Rindfleisch – Tyson, Cargill, National Beef und JBS. Bei Schweinefleisch kommen die WH Group, Hormel, JBY und Tyson auf eine Quote von 67 %.

Was auf dem Papier wie eine Beschränkung des Wettbewerbs aussieht, facht diesen eher noch an. So ist Fleisch in den USA ein relativ günstiges Produkt und die Unternehmensmargen fallen relativ gering aus. Im Jahr 2023 schrieben mehrere Fleischkonzerne Verluste. Die geplanten Investitionen in neue Maschinen sollen die Produktivität steigern, die Kosten drücken und die Firmen in die Gewinnzone zurückführen.

Asien und Ozeanien

CHINA / ROHSTOFFE: EU SCHLÄGT ZÖLLE AUF BIOKRAFTSTOFFE VOR

Die Europäische Union hat vorläufige Zölle auf Biokraftstoffe aus China vorgeschlagen, nachdem sie festgestellt hat, dass chinesische Unternehmen die Ware zu unfairen Preisen auf den europäischen Märkten absetzen.

Die EU-Kommission zieht Zölle zwischen 12,8 und 36,4 % in Betracht, um den Schaden, der den heimischen Erzeugern durch die Dumping-Praktiken der Volksrepublik entstanden ist, rückgängig zu machen. Diese Zölle werden voraussichtlich im August in Kraft treten, obwohl die Antidumping-Untersuchung der EU bis Februar 2025 andauern wird, wenn endgültige Maßnahmen eingeführt werden können.

Der Schritt folgt auf einen erheblichen Einbruch der Biokraftstoffpreise. Der europäische Referenzpreis für Biodiesel auf Basis von Altspeisefett lag in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bei durchschnittlich 1.300 US-Dollar pro Tonne und damit fast 40 % niedriger als im gleichen Zeitraum des Jahres 2022, so der Rohstoffdatenanbieter Argus Media.

Unterdessen haben chinesische Exporte den EU-Markt überschwemmt. Laut Global Trade Tracker stiegen die europäischen Importe chinesischer Biokraftstoffe 2023 auf rund 1 Mio t, gegenüber rund 550.000 t im Vorjahr.

BHP und Shell stellen Projekte ein

Der Abschwung hat die Ölkonzerne gezwungen, ihre Biokraftstoff-Ambitionen in Europa zurückzuschrauben. Letzten Monat hat BP die Entwicklung von zwei neuen Biokraftstoffprojekten gestoppt. Im Juli stoppte Shell die Bauarbeiten an einer niederländischen Biokraftstoffanlage, um „die künftige Wettbewerbsfähigkeit unter den derzeitigen Marktbedingungen“ sicherzustellen.

Die EU-Untersuchung wurde im vergangenen Jahr eingeleitet, nachdem das European Biodiesel Board eine offizielle Beschwerde über Chinas „äußerst schädliche unfaire Handelspraktiken“ eingereicht hatte. Eine separate Untersuchung zur Umgehung von Zöllen auf indonesischen Biodiesel durch das Reich der Mitte wurde Anfang des Jahres eingestellt, nachdem das EBB seine Beschwerde zurückgezogen hatte.

Bis Mai beliefen sich die Biokraftstoffeinfuhren aus China laut Global Trade Tracker auf rund 434.000 t, was dem Vorjahresniveau entspricht. In jüngster Zeit hat sich sowohl der inländische als auch der internationale Handel mit Biokraftstoffen vor dem Vorschlag der EU für vorläufige Zölle verlangsamt.
„Die Ungewissheit über den Ausgang der Untersuchung hält die meisten Marktteilnehmer davon ab, größere Positionen einzugehen“, so Sophie Barthel von Argus.

INDIEN / BAUINDUSTRIE: GRÜNER BAUEN

Um bis 2070 klimaneutral zu sein, muss Indien auch im Bau- und Gebäudesektor die Treibhausgasemissionen deutlich senken. Dessen Anteil an Gesamtausstoß wird auf 20 bis 25 % geschätzt. Mit dem Einsatz nachhaltiger Baustoffe, moderner Fassadendämmung und effizienter Klimatechnik könnten ungenutzte Einsparpotenziale aktiviert werden, so die Aussage des India Green Building Council (IGBC).

Der Markt für Lösungen und Produkte rund um nachhaltiges Bauen hat sich seit 2018 auf 30 Mrd US-Dollar mehr als verdoppelt. Bis 2028 soll der Umsatz um durchschnittlich 5 % jährlich auf 38 Mrd Dollar zulegen, prognostiziert Global Data. Der National Real Estate Development Council (NAREDCO) schätzt den Markt bereits für 2025 auf 39 Mrd Dollar. Davon 28 Mrd im Wohnungs- und 11 Mrd im Gewerbebau, so der Verband.

Bedarf an Wohn- und Büroflächen wächst

Wachstumstreiber für nachhaltiges Bauen sind sowohl Neubauten als auch die energetische Sanierung von Bestandsbauten. Vor allem in den indischen Ballungszentren wird der Bedarf an Wohnraum in den nächsten Jahren stark steigen. Bis 2050 werden rund 100 Mio zusätzliche Wohneinheiten im urbanen Raum benötigt, prognostiziert die Builders‘ Association of India. Der Stromverbrauch im städtischen Wohnungssegment dürfte sich dadurch bis 2050 verdreifachen, schätzt die Internationale Energieagentur.

Im Gewerbebau könnten bis 2030 jedes Jahr 2 Mio qm an neuer Bürofläche fertiggestellt werden. Auch im Einzelhandel, in der Industrie und im Logistiksektor wächst der Flächenbedarf bei neuen Einkaufszentren, Fabrikgebäuden und Lagerhäusern – und damit der Energieverbrauch. Darüber hinaus werden bei Büroimmobilien jährlich etwa 3 % des Gebäudebestands saniert. Viele dieser Maßnahmen zielen darauf ab, den Energieverbrauch der Bauten zu senken, etwa durch verbesserte Dämmung der Gebäudehülle oder Einsatz von effizienter Klimatechnik und Gebäudeautomation.

So soll der Absatz von Smart-Home-Technik in Indien bis 2028 um jährlich 9 % auf 9,2 Mrd Dollar steigen, prognostiziert der Marktforscher Resurgent India. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Internet of Things gestützten Steuerungssystemen für die Beleuchtung und Klimatisierung ließen sich allein bei gewerblichen Bauten bis zu 20 % des Energieverbrauchs einsparen, schätzt NAREDCO.

CO₂ sparen mit nachhaltigen Werkstoffen 

Der Kohlenstoffdioxid-Verbrauch im Bau- und Gebäudesektor kann schon beim Materialeinsatz während der Bauphase verringert werden. Der Baustoffbedarf wird in den nächsten Jahren weiter stark wachsen. Der Marktforscher Avendus prognostiziert, dass der Verbrauch von Baustoffen – ohne Stahl – bis 2027 um jährlich knapp 10 % auf 212 Mrd Dollar zulegen wird.

Zement ist mit einem Anteil von 22 % das größte Segment. Der Stahlverbrauch des Bausektors dürfte in den nächsten vier Jahren jeweils um rund 6 % auf 125 Mrd Dollar steigen, so Avendus. Zement und Stahl sind nicht nur die bedeutendsten Baustoffe, sondern auch die Materialien, bei denen sich CO₂ einsparen ließe. Die Nachfrage nach Stahl und Zement, bei deren Produktion weniger Emissionen anfällt, soll trotz höherer Preise kontinuierlich wachsen. Der Markt für „grünen Zement“ dürfte bis 2029 jedes Jahr um 6 % auf 3,3 Mrd Dollar zulegen, prognostiziert TechSci Research.

Indien ist nach China der zweitgrößte Produzent und Verbraucher von Zement weltweit. Die Nachfrage dürfte mittelfristig die heimische Produktion übersteigen und den Markt für ausländische Produkte attraktiv machen, so das Fazit von TechSci Research. Für grünen Stahl wird eine ähnliche Nachfrageentwicklung erwartet. Indische Hersteller wie SAIL, JSW und TATA Steel wollen Stahl auf den Markt bringen, bei dem grüner Wasserstoff statt Kohle im Produktionsprozess zum Einsatz kommt.

Hersteller von nachhaltigen Baustoffen können ihre Produkte auf der Homepage der Green Rating for Integrated Habitat Assessment (GRIHA) registrieren lassen. Die Datenbank ermöglicht Projektentwicklern, sich über Baustoffe zu informieren, die den GRIHA-Kriterien für energiesparende Gebäude entsprechen. Seit 2007 wurden knapp 4.000 Bauten mit dem staatlich anerkannten Effizienzlabel ausgezeichnet.

Bei der Zertifizierung nach LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) lag Indien 2023 auf Rang drei hinter China und Kanada. Insgesamt 248 Gebäude mit einer Fläche von 7 Mio qm erhielten 2023 die international anerkannte Auszeichnung. Damit sind rund 2.200 Gebäude mit einer Gesamtfläche von über 60 Mio qm nach LEED zertifiziert, so der IGBC.

Nachholbedarf bei Bauschutt-Recycling

Jedes Jahr fallen in Indien bis zu 500 Mio t Bauschutt an. Gerade einmal 1 % davon wird recycelt, schätzt der Building Materials & Technology Promotion Council (BMTPC). Der Rest landet auf Müllhalden und trägt mit zur hohen Feinstaubbelastung in den Ballungszentren bei. Ende 2023 gab es indienweit 27 Recyclinganlagen für Bauschutt, in denen 5 Mio t jährlich behandelt werden können.

Weitere knapp 30 Anlagen befanden sich zu dem Zeitpunkt im Bau oder in der Planung, so die Angaben des Center for Science and Environment.
Dadurch wird die Nachfrage nach Maschinen zum Trennen und Sortieren sowie zum Zerkleinern des Bauschutts in den kommenden Jahren wachsen, prognostiziert BMTPC. Indien importierte 2023 entsprechende Ausrüstung im Wert von rund 550 Mio Dollar – ein Plus von 10 % gegenüber dem Vorjahr.

INDONESIEN / INFRASTRUKTUR: BALI SCHREIBT ERSTE BAHNSTRECKE AUS

Bali erhält seine erste Bahnlinie. Dazu wird die Provinzregierung von Bali in Kooperation mit der Nationalen Planungsbehörde Bappenas Ausschreibungen veröffentlichen. Die Bauarbeiten dürften spätestens 2025 beginnen.

Konsortien aus China, Südkorea und Europa bewerben sich um das Projekt. Zu den beteiligten Interessenten gehört auch Siemens. Die Kosten für den 6 km langen ersten Bauabschnitt vom Flughafen bis zur Sunset Road in Kuta werden zwischen 600 Mio und 900 Mio US-Dollar veranschlagt.

Die Eisenbahnlinie wird teilweise unterirdisch verlaufen und vom internationalen Flughafen Ngurah Rai in Richtung Norden durch das Touristenzentrum Kuta über mehrere Stationen bis in das etwa 10 km entfernte Canggu führen.

Die erste Bahnlinie könnte Startschuss für zahlreiche weitere Bahnprojekte auf Bali sein. Diese werden unter dem Begriff „Bali Urban Railway Project“ zusammengefasst und das Investitionsvolumen kann bis zu 20 Mrd Dollar erreichen. Zu den noch vagen Planungen gehört eine Ringlinie, die Kuta mit dem Stadtzentrum von Denpasar und der südlichen Ostküste von Sanur verbindet. Zudem gibt es Überlegungen, den Künstlerort Ubud nördlich der Hauptstadt Denpasar mit dem touristischen Südzipfel in Uluwatu zu verbinden.

In Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens, soll mit deutschen Krediten eine S-Bahnlinie entstehen. Im westjavanischen Bogor ist der Bau einer Ringbahn um den weltberühmten botanischen Garten geplant. Einige Machbarkeitsstudien sind bereits erstellt worden. In der indonesischen Presse werden Kosten von etwa 100 Mio Dollar genannt. Diese „Tram“-Strecke soll an eine geplante S-Bahnlinie aus Jakarta angebunden werden.

Das Aus für Verkehrsstaus

Der Leidensdruck für den Bau von Bahnlinien auf Bali ist schon lange groß. Denn Denpasar mit seinen 725.000 Einwohnern – im Großraum 1,8 Mio – sowie die Touristenzentren um Kuta leiden unter unablässigen Verkehrsstaus. Am Neujahrstag 2024 gingen die Bilder von Bali-Touristen um die Welt, die mit ihren Koffern kilometerweit zu Fuß zum Flughafen gehen mussten, weil der Straßenverkehr still stand.

Die Mittel für den großflächigen Ausbau einer Bahninfrastruktur ließen sich vergleichsweise einfach generieren. Pro Jahr geben etwa 6 Mio ausländische und 12 Mio indonesische Touristen auf der Insel viel Geld aus. Mit Sonderabgaben gibt es bereits Erfahrungen: Seit Februar 2024 wird von nach Bali einreisenden internationalen Touristen eine Steuer von 150.000 Rupiah (circa 9 Dollar) erhoben.

Indonesien ist bemüht, sich ein grünes und nachhaltiges Image zu geben. Bali soll ein Anziehungspunkt für sogenannte Digitale Nomaden werden: Wer von der hinduistischen Trauminsel beispielsweise für einen ausländischen Auftraggeber programmiert oder digital Produkte vermarktet, soll – wenn er Einkommen vor Ort versteuert – leichter eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

THAILAND / INFRASTRUKTUR: ALTERNATIVE ZUR STRAßE VON MALAKKA

Die Idee eines Thai-Kanals ist alt, die jüngsten Pläne für den Bau eines Kanals scheiterten bisher an zu hohen Kosten und am thailändischen Verfassungsgrundsatz, dass das Königreich nicht teilbar sei. Nun hat sich die Idee durchgesetzt, stattdessen eine Landbrücke zu bauen.

Thailands Regierung warb 2024 in Beijing um chinesische Investoren, damit sie das Projekt bis 2030 umsetzen kann. Mit dem Bau und den Ausschreibungen soll bereits 2026 begonnen werden.

Die angedachte Landbrücke ist rund 90 km lang. Sie verbindet den Hafen Chumphon am Golf von Thailand mit dem Hafen Ranong an der Andamanensee und damit den Pazifischen mit dem Indischen Ozean, die Straße von Malakka kann vermieden werden. Die Zeitersparnis ist allerdings relativ gering: Als realistisch werden 2,5 Tage angegeben.

Insgesamt veranschlagen die Entwickler rund 28 Mrd US-Dollar an Investitionen. Damit lägen die Baukosten kaum unter denen des bereits verworfenen Kanalprojekts von geschätzt 30 Mrd Dollar. Chumphon und Ranong sollen zu Tiefwasserhäfen ausgebaut werden. Pipelines, eine Autobahn und eine Eisenbahnverbindung sind angedacht. Landaufschüttungen und weitere Baumaßnahmen kommen hinzu.

Thailands Regierung wirbt damit, dem Welthandel eine zweite Route zwischen Europa und Ostasien zu ermöglichen. Denn in den nächsten 30 Jahren könnte der Schiffsverkehr durch die Straße von Malakka laut Schätzungen von aktuell 100.000 auf 400.000 Schiffe steigen. Dadurch würde der ohnehin schon oft überlaufene Engpass im schlimmsten Fall kaum passierbar werden.

Der größte Gewinner der neuen Ost-West-Verbindung quer durch Thailand könnte China sein. Auch wenn Beijing skeptisch ist, ob sich die Finanzierung des Projekts wirtschaftlich lohnt, kann die Route das „Malakka-Dilemma“ entschärfen: Die Volksrepublik bezieht rund 75 % seiner Ölimporte durch das „Nadelöhr“ zwischen Malaysia und Indonesien.

Die arabischen Staaten haben ein besonderes Interesse an einem sicheren Erdöltransport nach China – und an einer Alternative, sollte es in der Straße von Malakka zu einer Blockade kommen. Daher gilt Dubai Port World als größter möglicher Investor für die Alternativroute. So könnte ein typisches Projekt der neuen Seidenstraße entstehen: Chinesische Unternehmen bauen, ein arabischer Investor finanziert.

Zahlreiche Herausforderungen

Doch das Projekt ist umstritten: Bürgerinitiativen protestieren gegen mögliche Umweltschäden. Die hohen Baukosten würden den thailändischen Staat weiter verschulden. Zudem müssen Container vom Schiff auf Schiene oder Straße und dann wieder auf große Container-Schiffe umgeladen werden. Es bedarf nicht nur modernster Logistik und großer Lagerflächen, sondern auch gut ausgebildeter Arbeitskräfte in großer Zahl für termingerechtes Umladen.

Wichtig ist auch der Faktor Mehrkosten: Umladen und Transport eines Standard-Containers über die Thai-Landbrücke würden rund 126 Dollar kosten. Für ein großes Container-Schiff wären damit rund 630.000 Dollar an Handling-Gebühren zu zahlen. Der Transport durch die Straße von Malakka ist dagegen zollfrei, und es fallen keine Extrakosten an.

Außerdem ist unwahrscheinlich, dass die beiden Häfen so ausgebaut werden können, dass sie bei Direkt- und Trans-Shipment-Prozessen eine ernsthafte Alternative zu Singapur darstellen. Der Stadtstaat will seinen Tuas Port bis in die 2040er-Jahre zum größten voll automatisierten Container-Hafen der Welt ausbauen. Auch in Malaysia entstehen neue Häfen als Konkurrenz. Doch alle sind auf eine freie Durchfahrt durch die Straße von Malakka angewiesen.

Kambodscha jedoch möchte unabhängiger von den Häfen seines Nachbarn Vietnam werden. Dazu investiert die China Road and Bridge Cooperation (CBRC) 1,7 Mrd Dollar in den Bau des Funan-Techo-Kanals, der künftig Phnom Penh über bestehende Wasserstraßen und die Küste mit den Häfen Kampot und Sihanoukville am Golf von Thailand per Schiff verbinden könnte. CBRC soll den Kanal als Build-Own-Transfer-Projekt betreiben. Der thailändische Hafen Chumphon könnte dank der Landbrücke zum Umschlagplatz für kambodschanische Erzeugnisse werden, die dann via Ranong nach Europa verschifft werden.

Europa

EUROPA / FORDERUNGSMANAGEMENT: GEPLANTE ZAHLUNGSVERZUGSVERORDNUNG FÜR VIELE UNTERNEHMEN NICHT VOLLSTÄNDIG UMSETZBAR

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr stößt auf einige Kritik. Darauf weist auch eine aktuelle Kundenumfrage des internationalen Kreditversicherers Atradius hin. Nur 38 % der befragten Firmen glauben, dass sie die geplante Verordnung in ihrer Branche umsetzen können.

Dass sie sie teilweise umsetzen können, denken 45 % und 17 % schätzen, dies in ihrem Geschäftsbereich nicht zu können. „Die Idee der Verordnung, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen vor verspäteten Zahlungen zu schützen, ist grundsätzlich gut. So wie die Verordnung bislang ausformuliert ist, sind als Folge aber auch zunehmende Liquiditätsprobleme und Insolvenzen bei KMU zu befürchten“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland bei Atradius. Befragt wurden mehr als 500 Unternehmen aus 15 Branchen.

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll die Zahlungsfrist im B2B-Geschäftsverkehr und zwischen Behörden und Unternehmen (G2B) grundsätzlich 30 Tage betragen. Im B2B-Bereich kann eine Verlängerung auf bis zu 60 Tage vertraglich vereinbart werden. Für Waren, die länger als 60 Tage im Handel bleiben, und Saisonartikel, sollen Zahlungsfristen bis zu 120 Tage möglich sein. Für den G2B-Bereich sind laut Vorschlag vertragliche Fristverlängerungen nicht zugelassen, Behörden müssten Rechnungen binnen 30 Tagen begleichen.

Atradius zufolge liegt das durchschnittliche Zahlungsziel in Osteuropa bei 40 Tagen. Auch in Westeuropa werden die Zahlungsfristen immer länger. Aktuell betragen sie durchschnittlich 52 Tage.

Bemängelt wird, dass länder- und branchenspezifische Besonderheiten außer Acht gelassen werden und die Verordnung dadurch genau das verursacht, was sie eigentlich vermeiden möchte: Liquiditätsprobleme bei Unternehmen.

Weiterhin seien bei einer Umsetzung Neuverhandlungen von Zahlungsbedingungen erforderlich. Das hätte zur Folge, dass europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb von nicht-europäischen Konkurrenten verdrängt werden könnten, da diese längere und flexiblere Zahlungsziele bieten können. Auch ist ein 30-Tage- und sogar ein 60-Tage-Zahlungsziel in manchen Branchen gar nicht umsetzbar.

Im Baubereich etwa, wo im westeuropäischen Durchschnitt die Forderungslaufzeit bei 68 Tagen liegt, sei die Umsetzung aufgrund der notwendigen umfangreichen Prüfungen nicht möglich. „Ein großes Problem ist zudem, dass der Lieferantenkredit als wichtigstes Finanzierungsinstrument für Unternehmen massiv eingeschränkt wird“, so Liebold.

56,7 % der befragen Unternehmen rechnen mit einer Verringerung der Zahlungsverzögerungen durch die geplante Verordnung. 51,3 % erwarten eine Verbesserung der Liquidität, 11,7 % rechnen mit einer Verschlechterung der Liquidität. „Die geplante Verordnung sollte eine Verbesserung insbesondere für mittelständische Unternehmen sein und keine versteckten Nachteile beinhalten“, betont Liebold.

EUROPA / WINDENERGIE: WEITGEHEND UNGENUTZTES POTENZIAL

Bisher lag der Fokus in Europa beim Ausbau der Offshore-Windenergie auf der Nordsee. Nun sollen die Möglichkeiten im Ostseeraum stärker genutzt werden. Das Potential ist groß. Die Europäische Kommission bezifferte es 2019 für alle EU-Ostseeanrainer auf mehr als 90 GW.

Beim Ausbau der Offshore-Windenergie in der Ostsee arbeitet Deutschland eng mit den anderen EU-Anrainern zusammen. Im August jährt sich die Unterzeichnung der Marienborg-Erklärung zum zweiten Mal. Die acht Ostseeanrainer-Staaten wollen hiermit die Entwicklung von neuen Projekten und Hubs unterstützen, die die Offshore-Windparks miteinander verbinden.

Im April folgte die sogenannte Vilnius-Erklärung. Hier setzten sich die Mitgliedstaaten eine Gesamtkapazität von 26,7 GW bis 2030 als Zielmarke. Im Jahr 2040 sollen es fast 45 GW sein. Bisher sind Anlagen mit rund 3 GW in Betrieb.
Dänemark gilt beim Thema Offshore-Wind in der Ostsee mit einer installierten Leistung von 2,7 GW als Pionier. Bis 2030 sollen dort Anlagen mit weiteren 3 GW ans Netz gehen.

Die installierte Leistung Schwedens fällt im Vergleich dazu mit 0,2 GW eher klein aus. Laut Branchenverband Svensk Vindenergi befinden sich jedoch Windparks mit einer potenziellen Leistung von 106 GW in Vorbereitung. Die meisten davon existieren bisher aber nur auf dem Papier. Nur das Projekt Kriegers Flak mit 0,6 GW hat den Genehmigungsprozess durchlaufen.

Bis zum Jahr 2030 sollen vor Polens Küste 5,9 GW ans Netz gehen. Finnland hat 2022 ein erstes Seegebiet namens Korsnäs an den Energiekonzern Vattenfall vergeben. Bei zwei weiteren Flächen warten Bewerber auf das Ergebnis der Auktion.
Litauen und Estland haben bereits Gebiete für Offshore-Projekte verteilt. Sie leisten sich ein Wettrennen, wer den ersten Windpark vor der baltischen Küste fertigstellen wird.

Hafen- und Netzinfrastruktur kann nicht mithalten

Ob die Offshore-Pläne der Ostseeanrainer gelingen, hängt auch von den Häfen ab. Bauteile für Windparks werden mit dem Schiff transportiert. Insbesondere Finnland steht vor einem Problem: Die meisten Häfen an der Westküste des Landes sind zu klein und das Geld für Investitionen fehlt. Auch in Dänemark gefährden nicht ausreichende Hafenkapazitäten den weiteren Ausbau.

Die Ostseeanrainer werden aber nicht nur in ihre Häfen, sondern auch in ihre Stromnetze investieren müssen. Für Polen ist das eine geographische Herausforderung, denn ein großer Teil der Industrie sitzt im Süden des Landes. Die Offshore-Gebiete befinden sich hingegen im Norden.

Estland steht vor einem ähnlichen Problem. Die Energieerzeugung des Landes liegt traditionell im Osten des Landes, die Seegebiete hingegen im Westen. Entsprechend sind die Netze an der Küste nicht ausreichend ausgebaut. Auch in Litauen und Lettland werden die Stromnetze die beschränkenden Faktoren sein. Geplante Seekabel von den baltischen Parks nach Deutschland könnten die Probleme lösen und so mehr Projekte in den drei Ländern ermöglichen.

Bei der Vergabe von Seegebieten für Offshore-Parks verfolgen die Länder verschiedene Ansätze. Dänemark und Schweden setzten bisher auf die Open-Door-Methode, planen jedoch Reformen. Zukünftig will die Dänen Gebiete nun in staatlichen Auktionen ausschreiben. In Polen entscheidet das Infrastrukturministerium über die Vergabe von Seegebieten. Dies stieß auf Kritik, da der zugrundeliegende Punktekatalog des Ministeriums die staatlichen Energiekonzerne bevorzugte.

In den meisten Anrainer-Staaten in der Ostsee treiben Joint Ventures den Ausbau der Offshore-Windenergie voran. Hier gibt es Chancen für deutsche Beteiligungen. So verlegt beispielsweise der deutsche Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz gemeinsam mit dem dänischen Gegenstück Energinet ein Unterseekabel zum Offshore-Windpark Bornholm. Vor der schwedischen Küste sind darüber hinaus RWE und Skyborn Renewables mit insgesamt acht Projekten vertreten.
In Lettland wollen die deutsche Aktiengesellschaft PNE und der schwedische Konzern Eolus gemeinsam den Offshore-Park Kurzéme entwickeln.

GROSSBRITANNIEN / AUßENHANDEL: DAS POST-BREXIT-ZEITALTER

In Großbritannien ist auch viereinhalb Jahre nach dem EU-Austritt vieles im Umbruch, zumal erst Anfang Juli wieder eine Unterhauswahl stattgefunden hat. Besonders betroffen vom Regel-Wirrwarr sind Export und Import.

Ach ja, das Sorgenkind Großbritannien! Hatten Sie auch vor dem Brexit 2020 ein weitgehend sorgloses Leben und einen gesunden Absatzmarkt auf den Britischen Inseln genossen? Lange, lange ist das gefühlt her … viereinhalb Jahre liegt der aufsehenerregende Austritt des Landes aus der Europäischen Union mit ihren verbliebenen 27 Mitgliedern mittlerweile bereits zurück. Dem Brexit vorausgegangen war eine Hängepartie mit vielen Abstimmungs-, Verhandlungs- und Regierungsrunden.

Manche Regelwerke sind schon vorab in Kraft getreten, für andere gab es immer wieder verlängerte Übergangsfristen. Nach einem solchen Zeitraum sollte sich eigentlich das meiste eingespielt haben, wenn sich der Wind nicht immer wieder neu drehen würde. Das hängt auch mit den vielen Regierungswechseln in London und den lange zähen Verhandlungen mit den EU-Institutionen in Brüssel zusammen. Haben sich die Lieferketten der hiesigen Unternehmen knapp fünf Jahre nach dem Brexit erholt und neu eingestellt?

Als deutsches Unternehmen, das auch im Nach-Brexit-Zeitalter seine Produkte nach Großbritannien verkaufen möchte, steht man weiter vor immer wieder neuen und unerwarteten Hürden, die infolge des Brexits aufgestellt werden. Bei den von Premierminister Rishi Sunak ausgerufenen Neuwahlen Anfang Juli kehrte die Labour Party um Spitzenkandidat Keir Starmer nach fast 15 Jahren an die Macht im Unterhaus zurück.

Doch die klare Ablehnung gegenüber einer Rückkehr zur EU-Zollunion und dem europäischen Binnenmarkt dürfte auch künftig bestehen bleiben. Das bedeutet, dass die Notwendigkeit, Zollformalitäten korrekt zu erledigen, bis auf unbestimmte Zeit zu einem komplexen Unterfangen wird, bei dem sichergestellt werden muss, dass unsere Waren pünktlich und ohne Verzögerungen ankommen. Nach viereinhalb Jahren Brexit sind britische Zollagenten als Retter in der Not für viele deutsche Unternehmen noch immer sehr gefragt – sie verstehen die Feinheiten der Zollabwicklung in Großbritannien und können durch den bürokratischen Dschungel der britischen Zollbehörde HM Revenue and Customs führen.

Seit Juni gilt CDS-Regelwerk

Die richtigen Zolldokumente müssen vorbereitet und eingereicht werden, Zölle und Steuern korrekt berechnet und sichergestellt werden, dass alles den gesetzlichen Anforderungen des Cross Border Taxation Act 2018 entspricht. Aber der Prozess dahinter ist selbst mit externer Hilfe alles andere als einfach zu verstehen.

Mit der Einführung des neuen Customs Declaration Service (CDS) – für Exporte gilt dieser Standard nun auch seit Juni 2024 – müssen sich englische Zollagenten mit einer neuen Plattform vertraut machen, die das Ausfüllen und Einreichen von Zollerklärungen erfordert. Das bedeutet auch für hiesige Unternehmen, die weiterhin regelmäßig nach Großbritannien liefern wollen, wachsam zu bleiben und die richtigen Zolldokumente (Ausfuhrbegleitdokument, eine internationale Handelsrechnung, Packliste, Lizenzen, eventuell CMR-Frachtbrief oder Bill of Lading/AirwayBill) bereitzuhalten. Nur so kann die Einfuhranmeldung auf englischer Seite korrekt abgegeben werden.

Das Problem der Incoterms

Und dann gibt es auch weiterhin das Problem mit den Incoterms. Für deutsche Unternehmen, die sich verpflichtet haben, Delivered Duties Paid (DDP, also geliefert, Zollabgaben und Mehrwertsteuer-Abgaben bezahlt) zu liefern, stellen sich große Herausforderungen. Denn ohne die Mitarbeit des Einführers oder die Nutzung eines indirekten Vertreters ist eine Einfuhr nach Großbritannien praktisch unmöglich. Dies kann weitreichende Folgen für Geschäftsbeziehungen haben.

Die Hürden mögen hoch sein, aber die Chancen sind es auch. Das Vereinigte Königreich mit seinen über 65 Mio Einwohnern bleibt ein wichtiger Markt für Deutschland. Der Wert der Exporte lag im vergangenen Jahr immerhin wieder bei 78,5 Mrd Euro, auch wenn er damit noch rund 10 Mrd Euro vom Höchststand 2015 entfernt liegt. Das zeigt: Mit der richtigen Vorbereitung und Unterstützung können hiesige Unternehmen weiterhin erfolgreich nach Großbritannien exportieren. Die komplexen Zollvorschriften sollten also als Teil des Spiels betrachtet werden. Mit der richtigen Herangehensweise lassen sie sich meistern. Das Geschäft kann auf diese Weise sogar noch ausgebaut werden.

Wer vor ähnlichen Hürden steht, dem empfiehlt sich, frühzeitig mit einem erfahrenen Zollagenten zusammenzuarbeiten und sich über das neue CDS-System zu informieren. Es lohnt, sich in diese Themen einzuarbeiten und die richtigen Partner an seiner Seite zu haben. So kann der Handel über die Grenzen hinweg erfolgreich fortgesetzt werden.

Es gibt sogar deutschsprachige Zollagenten, die in Großbritannien ansässig sind. Diese können helfen, die englischen Prozesse vollständig auf Deutsch nachzuvollziehen, was zusätzliche Sicherheit in puncto Regelkonformität gibt. In diesem Sinne sollte der Brexit als Chance gesehen werden, um sich weiterzuentwickeln und neue Wege zu finden, die Produkte grenzüberschreitend zu vertreiben.

ITALIEN / ELEKTRONIK: CHIPS STATT PASTA

Das größte Halbleiterprojekt Italiens läuft im sizilianischen Catania. Dort investiert der italienisch-französische Hersteller STMicroelectronics (STM) 5 Mrd Euro in eine Chip-Produktion. Der italienische Staat beteiligt sich mit Fördergeldern in Höhe von 2 Mrd Euro. Diese sind mit der Europäischen Kommission abgestimmt. Die gesamte Anlage soll 2032 in Betrieb gehen.

Die neue Fabrik von STM entsteht im dortigen Elektronikcluster Etna Valley. Dort hatte im Frühjahr 2024 Europas bis dato größte Produktionsstätte für Solarzellen ihren Betrieb aufgenommen. Auch im piemontesischen Novara entsteht bis 2028 ein Halbleiterwerk. Die Kosten belaufen sich auf 3,2 Mrd Euro. Dies hat der Investor Silicon Box aus Singapur im März bekannt gegeben. Im Piemont engagiert sich auch das deutsche Unternehmen Aixtron. Es hat im Juni 2024 angekündigt, 50 Mio Euro in eine Chip-Fertigung in Turin zu investieren.

Die italienische Halbleiterindustrie konzentriert sich noch in sechs weiteren Regionen: der Lombardei, Venetien, Friaul/Julisch-Venetien, der Toskana, Umbrien, den Abruzzen und Kampanien. Eine Studie des Think Tanks Aware hat 2023 insgesamt 381 Halbleiterunternehmen in Italien ausgemacht. Darunter befanden sich 278 ausländische Investoren.

Neue Institute erforschen Mikroprozessoren

Im November 2024 wird im lombardischen Pavia das Forschungsinstitut Fondazione ChipsIT seine Arbeit aufnehmen. Dieses untersucht neue Halbleitertechnologien. In den Aufbau des Instituts fließen 225 Mio Euro. An einer Zusammenarbeit sind unter anderem STM, Infineon, Sony und Intel interessiert. Ab 2025 baut der italienische Forschungsverbund Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Halbleiter mit Hauptsitz in Catania auf. Das Zentrum wird unter anderem Mikrochips für die Kfz-Industrie entwickeln und soll eine eng mit deutschen, finnischen, französischen, schwedischen, polnischen und österreichischen Instituten kooperieren. Die Hälfte der Investitionskosten in Höhe von 360 Mio Euro machen Fördergelder der Europäischen Union aus.

Der Verbund CNR betreibt angewandte Forschung und ist mit den deutschen Fraunhofer-Instituten vergleichbar. Auch ausländische Investoren setzen auf Italien als Forschungsstandort. Im Mai hat der französische Hersteller SiPearl angekündigt, in der Universitätsstadt Bologna ein Entwicklungszentrum aufzubauen. SiPearl stellt Mikroprozessoren zur Nutzung in der Künstlichen Intelligenz her. Bologna wird 2025 Sitz eines Instituts der Universität der Vereinten Nationen. Dieses forscht und lehrt zu den Themen Big Data und Künstliche Intelligenz.

Staatliche Förderung für Zukunftstechnologien

Im April 2024 hat die italienische Regierung das Förderprogramm Contratti di sviluppo – Nuovo sportello Semiconduttori gestartet. Dieses richtet sich speziell an produzierende und forschende Unternehmen in der Halbleiterindustrie und stellt 3,3 Mrd Euro an Fördermitteln bereit. Mikro-Chip-Produzenten können sich auch an das Förderprogramm Specializzazione intelligente wenden. Dieses unterstützt Investitionen in der Elektronik- und anderen strategischen Zukunftsindustrien in den Regionen Apulien, Basilikata, Kalabrien, Kampanien, Molise, Sardinien und Sizilien. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt dort unter dem italienischen Landesschnitt.

Italien hat 2023 im Außenhandel mit elektronischen Bauelementen der SITC-Position 776 ein Importdefizit von 2,2 Mrd Euro verzeichnet. Deutschland war 2023 mit einem Importanteil von 21,2 % zweitwichtigster Lieferant, nach den Niederlanden mit 26,8 % und vor der Volksrepublik China mit 16,5 %.

Auch im Außenhandel mit Elektronikprodukten der SITC-Positionen 75, 76 und 776 insgesamt hatte Italien 2023 ein Importdefizit von 15 Mrd Euro. Hier lag Deutschland bei den Einfuhren mit einem Anteil von 12,5 % an dritter Stelle hinter der Volksrepublik mit 24,4 % und den Niederlanden mit 22 %.

Branchenwachstum deutlich höher als andere Industriezweige

Die italienische Elektronikindustrie wird ihren Umsatz von 2024 bis 2028 preisbereinigt um durchschnittlich 1,8 % im Jahr steigern, erwarten der Verband der Elektronikindustrie ANIE und der Dachverband Confindustria Mitte 2024. Damit wächst die Branche doppelt so stark wie das verarbeitende Gewerbe insgesamt, das von 2024 bis 2028 auf ein durchschnittliches Plus von 0,9 % pro Jahr kommt.

In den kommenden Jahren werden auch der Maschinenbau und die Kfz-Industrie weiter wachsen. Auch diese für die Wirtschaft des Landes bedeutenden Branchen brauchen Mikrochips. Der Aufbau weiterer Kapazitäten zur Halbleiterfertigung ist daher dringend nötig, will das Land seinen Importbedarf nicht noch vergrößern. In Italien haben 2022 laut Eurostat 4.698 Unternehmen Datenverarbeitungsgeräte oder elektronische beziehungsweise optische Erzeugnisse hergestellt. Diese haben mit 94.700 Beschäftigten einen Nettoumsatz von 23,9 Mrd Euro erzielt. Der Nettoumsatz eines Beschäftigten war 2022 mit durchschnittlich 253.000 Euro um 14,3 % geringer als in Deutschland.

SKANDINAVIEN / LUFT- & RAUMFAHRTTECHNIK: VÖLLIG LOSGELÖST – VON FOSSILER ENERGIE

Zwar fahren die skandinavischen Länder unterschiedliche Strategien für ihre Luft- und Raumfahrtbranchen, aber für deutsche Firmen bieten sich umso mehr Möglichkeiten einer Beteiligung. Denn während Dänemark seine Position als Frachtdrehkreuz Nordeuropas stärkt, investieren die Nachbarn vermehrt in New-Space-Aktivitäten.

Dänemark hat im Gegensatz zu den anderen Skandinaviern keine eigene Raumfahrtagentur. Im Jahr 2020 beschäftigten knapp 200 Firmen der Luft- und Raumfahrtindustrie etwa 2.500 Mitarbeiter. Sie erwirtschafteten umgerechnet rund 793 Mio Euro. Unternehmen dieser Branche sind meist in den Bereichen Klima, Umwelt, Lebensmittelversorgung, Gesundheit und Logistik aktiv.

Politischer und unternehmerischer Fokus liegt vor allem auf Nachhaltigkeit. So hat sich die Initiative „Luftfartens Klimapartnerskab“ bis 2025 das Ziel gesetzt, eine erste grüne Inlandsflugverbindung anzubieten. Bis 2030 soll die Umstellung zu ausschließlich nachhaltigen Inlandsflugverbindungen finanziert und ein Markt für grüne Treibstoffe etabliert werden. Entsprechend ambitioniert sind die Bestrebungen im Bereich der Entwicklung alternativer Antriebe. Hier setzt man verstärkt auf Power-to-X-Technologien.

Gesteuert wird diese Entwicklung durch das Projekt Green Fuels for Denmark, eine Partnerschaft des Energiekonzerns Ørsted mit diversen Transport- und Energieunternehmen. Ziel ist die Massenproduktion nachhaltiger Kraftstoffe für Transportsektoren mit einem CO₂-Reduktionspotential von über 850.000 t im Jahr 2030. Darüber hinaus werden die drei Regionalflughäfen Sønderborg, Midtjylland und Esbjerg in den kommenden fünf Jahren mit jeweils rund 1,3 Mio Euro jährlich unterstützt, um die grüne Wende voranzutreiben. Dem Flughafen Esbjerg als Drehkreuz für das Wartungspersonal der Windparks in der Nordsee kommt dabei eine besondere Schlüsselrolle zu.

Schweden zieht deutsche Start-ups an

Schwedens Luft- und Raumfahrtindustrie ist mit etwa 12.000 Beschäftigten und einem Umsatz von etwa 2,2 Mrd Euro im Jahr 2021 gut aufgestellt. Für die Raumfahrt spielt neben den nördlichen Regionen wie Kiruna, Skellefeteå oder Luleå auch die Region rund um Trollhättan bei Göteborg im Westen des Landes eine wichtige Rolle. Politischer Wille und pragmatische Förderbedingungen tragen ihren Teil dazu bei, dass bereits einige deutsche Start-ups schwedische Standorte bevorzugt ausgewählt haben. Dazu gehören Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg (RFA) oder Arctic Space Technologies.

Deutschland hat den Stellenwert der Industrie und das Potenzial einer verstärkten Zusammenarbeit auf europäischer Ebene erkannt. Erst Mitte Mai 2024 wurde im Rahmen einer Neuausrichtung der deutsch-schwedischen Innovationspartnerschaft die Raumfahrt als weitere Fokusbranche deklariert. Hierdurch soll in diesem spezifischen Bereich zukünftig noch enger zusammengearbeitet werden.

Basierend auf der nationalen Strategie „Fossilfreies Schweden“ engagiert sich das skandinavische Land verstärkt für die Einführung von E-Flugzeugen und will bereits 2030 sämtliche Inlandsflüge emissionsfrei machen. Der schwedische E-Flugzeugbauer Heart Aerospace hat angekündigt, am Flughafen Säve in Göteborg die erste kommerzielle E-Flugzeugindustrie aufzubauen.

Unter dem Titel „Northern Runway“ soll hier eine Produktionsstätte entstehen, die Elektroflugzeuge in Serie herstellt. Der erste Testflug soll Mitte 2026 absolviert werden. Die Nutzung von E-Flugzeugen wird den Energieverbrauch voraussichtlich vervierfachen – Experimente mit Batterielagern laufen bereits am Flugplatz Skellefteå. Hier werden gemeinsam mit dem lokalen Energiebetreiber 1 MW an Stromversorgung ausschließlich für das Testen von E-Flugzeugen und Drohnen installiert.

Norwegen kooperiert mit der Bundesrepublik

Auch in Norwegen sind die Raumfahrt-Start-ups Isar Aerospace und RFA ganz vorne mit dabei: Im November 2023 wurde auf der gleichnamigen Insel das Andøya Space Center offiziell eingeweiht. Hier soll in Kürze die modernste Infrastruktur für Forschungsraketen bereitstehen. Beide deutsche Start-ups haben bereits Vereinbarungen zur zukünftigen Nutzung der Infrastruktur mit der Einrichtung getroffen.

Die Ambitionen des norwegischen Staats sind groß: Für das laufende Jahr hatte die Raumfahrtagentur Norsk Romsenter zuletzt rund 2 Mio Euro für nationale Förderprogramme vergeben. Insgesamt sieht der Staatsetat für 2024 knapp 182 Mio Euro an Mitteln für weltraumbezogene Forschungsaktivitäten vor. Rund 40 % dieser Mittel sind für die Teilnahme an EU-Programmen vorbehalten.

Der wichtigste Betreiber norwegischer Flughäfen ist die staatliche Avinor mit derzeit 43 Flughäfen im Land. Das Unternehmen verweist darauf, dass sich die laufenden selbst finanzierten Projekte derzeit auf rund 1,4 Mrd Euro belaufen. Der größte Teil zählt zu großen Bau- und Technologieprojekten, die sich in der Ausführungsphase befinden, wie beispielsweise die Umsetzung eines neuen Flugverkehrsmanagementsystems mit dem Ziel einer höheren Effizienz, Automatisierung und Erfüllung regulatorischer Anforderungen. Weitere Beispiele sind ein neues Gepäckabfertigungssystem am Flughafen Oslo und die Implementierung von Remote Towers an kleineren Regionalflughäfen. Der neue Flughafen in Bodø entsteht zusätzlich.

Skepsis trotz hohem Nachhaltigkeitswunsch

Aus einem Forschungsprojekt zur Elektrifizierung des Luftverkehrs von Nordregio, einer offiziellen Eurostat-Forschungseinrichtung, geht hervor, dass vor allem Dänemark und Finnland jedoch Skeptiker unter den Skandinaviern sind, wenn es um die breite Etablierung elektrifizierter Flugstrecken in Nordeuropa geht.

Ein Konsortium norwegischer und schwedischer Akteure hat zudem ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, um die Machbarkeit einer Wasserstoffinfrastruktur an Flughäfen in beiden Ländern zu untersuchen und so zur Entwicklung eines H2-basierten Luftfahrt-Ökosystems beizutragen.

Osteuropa und Zentralasien

MOLDAU / ENERGIEERZEUGUNG: AUSBAU DER ERNEUERBAREN

Die Republik Moldau wird voraussichtlich im September eine Ausschreibung für den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen veröffentlichen. Dies wird die erste Ausschreibung, die der Staat für einen groß angelegten Ausbau der erneuerbaren Energien im Land tätigen werde, verkündete Energieminister Viktor Parlicov bei einer Konferenz am 12. Juli.

Das kleine südosteuropäische Land, das sich zwischen der Ukraine und Rumänien befindet, wird damit auch zum ersten Mal Aufträge zum Ausbau von Wind- und Solarparks im Einklang mit EU-Regeln vergeben.
Mit der Ausschreibung macht die Republik Moldau einen weiteren Schritt Richtung Integration in die Europäische Union. Denn das Land verpflichtete sich als Beitrittskandidat auch zur Anpassung an die EU-Klimaziele und buhlt tatkräftig um Investoren.

So hat sich die Regierung vorgenommen, bis 2030 rund 27% der Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Dabei soll der Anteil von Ökostrom am gesamten Stromverbrauch auf 30% steigen – von aktuell 10,5%. Um dieses Ziel zu erreichen, will das Energieministerium Unternehmen gewinnen, die in erneuerbare Quellen investieren.

Verflechtung mit dem EU-Binnenmarkt

Um die Energiesicherheit und die Attraktivität des Energiesektors für internationale Investoren zu erhöhen, plant die Republik Moldau, ihren Strommarkt stärker mit dem EU-Binnenmarkt zu verflechten. Das Land investiert dafür in seine Energieinfrastruktur und baut die Interkonnektoren zum Nachbarland Rumänien weiter aus.

So entsteht gerade eine 400-Kilovolt-Stromleitung zwischen Chisinau und Vulcanesti, an der südlichen Grenze der Republik zu Rumänien. Sie soll Ende 2025 fertig werden. Moldau baut eine weitere Verbindung aus, die von Balti, im Zentrum des Landes, bis nach Suceava in Rumänien reichen wird. Diese 400-Kilovolt-Stromleitung wird voraussichtlich 2027 fertiggestellt sein. Eine dritte Stromtrasse plant derzeit das Energieministerium zwischen Straseni (Moldau) und Gutinas (Rumänien).

Mittelfristig wird Moldau zudem eine Stromhandelsbörse einrichten. Dies ist eine von weiteren Maßnahmen zur Liberalisierung des Energiemarktes. Unter diesen Voraussetzungen werden Stromproduzenten perspektivisch die Möglichkeit erhalten, ihren Ökostrom auch ins Nachbarland Rumänien zu exportieren.

„Diese kommende Ausschreibung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Republik Moldau in einen integrierten Energiemarkt“, sagte Dirk Buschle, stellvertretender Direktor der Energy Community der Europäischen Union. Die Energy Community arbeitet daran, Strommärkte der EU-Beitrittskandidaten in den Binnenmarkt zu integrieren, Energiesicherheit zu gewährleisten und Dekarbonisierung der Energieerzeugung voranzubringen. Dies soll auch dazu beitragen, dass Investoren schnell Vertrauen in den Reformwillen und zukünftige Projekte in das Land fassen.

Der nun angekündigte Tender sei ein Testballon für die Energiewende des Landes, erklärt Buschle. Er biete eine Blaupause für den Verlauf zukünftiger Energieausschreibungen im Land und wird den noch unreifen Markt mittelfristig interessanter für Unternehmen machen. Diese sollten daher den Energiemarkt in Moldau künftig stärker beobachten.

Die geplante Ausschreibung fordert Entwickler von Solar- und Windparks auf, sich per Power Purchase Agreement für 15 Jahre zu verpflichten, Strom zu einem festgesetzten Preis zu produzieren. Diesen Preis wird das beste Angebot im Rahmen der Ausschreibung bestimmen. Damit die Preise nicht zu hoch ausfallen, hat das Energieministerium einen Höchstpreis für die Auktion festgelegt.

Um Risiken für Investoren zu minimieren, bietet Moldau zusätzlich Differenzverträge an. Dabei verspricht der Staat eine Zuzahlung zum Strompreis, wenn dieser auf dem Markt unter eine vereinbarte Schwelle fallen sollte. Für Betreiber ist eine solche Absicherung sehr wichtig: Für die kostenintensiven Vorhaben brauchen sie externe Geldgeber. Differenzverträge geben Finanziers mehr Sicherheit und senken somit die Finanzierungskosten.

POLEN / MASCHINENBAU: TRÜBE AUSSICHTEN BEI DER AUFTRAGSLAGE

In Polen stagniert die Industrieproduktion. Unternehmen geben daher weniger für Automatisierung aus. Doch es gibt Lichtblicke, berichten Branchenvertreter. Taskoprojekt gehört zu den führenden Anbietern von Automatisierungslösungen in Polen.

Als der landesweit größte Integrator von KUKA-Robotern entwirft und baut das Unternehmen Produktionslinien für unterschiedliche Branchen. Die Situation in vielen Industriezweigen ist angespannt, sagt Jakub Stanczak, CEO von Taskoprojekt.

Welche Fortschritte machen die produzierenden Unternehmen bei der Automatisierung?
In letzter Zeit sind die Investitionen in die Automatisierung leider ins Stocken geraten. Unsere Kunden in Polen zögern und verschieben wichtige Entscheidungen in die Zukunft. Die Unternehmen fragen sich, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um neue Projekte zu starten.

Warum die Zurückhaltung?
Die Nachfrage nach verschiedenen Industriegütern geht zurück, und zwar europaweit. Unsere Kunden aus dem verarbeitenden Gewerbe wissen nicht, auf welche Bestellgrößen sie sich vorbereiten müssen. Wenn unsere Kunden investieren, beispielsweise in neue Roboter, dann benötigen sie Gewissheit, dass die Maschinen auch ausgelastet sein werden. Die Unsicherheit auf den europäischen Märkten drückt die Stimmung. Es gibt kein klares Signal, dass die Wirtschaft in Europa wieder anspringt.

Was ist Ihre Strategie in diesem schwierigen Marktumfeld?
Unsere Auftragsbücher sind gegenwärtig noch gut gefüllt. Allerdings bemerken wir, dass weniger neue Bestellungen bei uns eintreffen. Viele unserer Kunden befinden sich in einer ähnlichen Lage. Unsere Lösung ist die Internationalisierung. Wir haben Projekte in Deutschland, Österreich und Ungarn sowie neuerdings auch in den USA.

Welche Industrien sind in einer besseren Position?
Ganz klar die Bahnindustrie! Sie investiert in neue Technologien. Wir verhandeln aktuell mit mehreren Zulieferern aus der Bahnindustrie und Herstellern von Schienenfahrzeugen, die ihre Anlagen modernisieren wollen. Auch aus der Automobilindustrie gibt es positive Signale, trotz der allgemein schwierigen Situation in dieser Branche. Premiumhersteller führen neue Modelle ein, die vollständig automatisiert produziert werden sollen.

Warum investieren Ihre Kunden in Automatisierung?
Ich möchte drei Gründe hervorheben. Erstens fehlen uns qualifizierte Mitarbeiter. Zweitens steigen die Kosten für gut ausgebildete Fachkräfte. Drittens können wir mit der Automatisierung eine reproduzierbare Qualität bei der Produktion von Teilen garantieren. Kleine Fehler in der Produktion führen zu Reklamationen oder zum Stopp der Produktabnahme beim Kunden. Deshalb bauen wir zunehmend Produktionslinien, die mit Bildverarbeitungssystemen ausgestattet sind, um die Qualität der produzierten Teile zu überprüfen.

Welche Bedeutung haben die neuen europäischen Fördergelder? Einige Programme sollen Unternehmen dabei helfen, ihre Anlagen zu modernisieren.
Nach unserer Wahrnehmung reichen diese Subventionen in der Regel nicht aus. Sie sind damit für viele unserer Kunden von geringem Interesse. Ein Problem, das wir beobachten, ist, dass ein Unternehmen zunächst in Vorleistung gehen muss. Es besteht daher ein Restrisiko, dass der vereinbarte Betrag am Ende nicht wie geplant erstattet wird.

TADSCHIKISTAN / INFRASTRUKTUR BAHNLINIE ZUR AFGHANISCHEN GRENZE

Das Verkehrsministerium Tadschikistans und die Koreanische Agentur für Internationale Zusammenarbeit haben laut „ASIAplus“ eine Machbarkeitsstudie für das Eisenbahnprojekt Jaloliddini-Balkhi – Panji Poyon vereinbart, wobei das Hauptziel des Projekts darin besteht, neuen Zugang zu Ländern wie Afghanistan, Pakistan und Indien zu erhalten.

Die voraussichtlichen Kosten für die Entwicklung der Studie belaufen sich auf 4 Mio US-Dollar. „Wenn das Projekt erfolgreich umgesetzt wird, wird Tadschikistan zu einem attraktiven Eisenbahntransitland, das den Transport von Waren und Produkten mit den Nachbarländern erhöht, was sowohl für Tadschikistan als auch für andere Länder in der Region von großem Nutzen sein wird“, sagte der tadschikische Verkehrsminister Azim Ibrohim.

Der amtierende südkoreanische Botschafter in Tadschikistan, Jeon Sung-sik Seoul, bezeichnete das Projekt als bedeutenden Fortschritt für Tadschikistan, da es dem Land Zugang zum Meer ermöglichen und es zu einem wichtigen Knotenpunkt im internationalen Verkehr machen wird. Dies stellt das erste Eisenbahnbauprojekt Südkoreas in Zentralasien dar, mit der Erwartung, dass die Arbeiten innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden.

Das Protokoll wurde nach mehreren Sitzungsrunden zwischen den Parteien unterzeichnet und alle organisatorischen sowie rechtlichen Aspekte der Entwicklung der Studie erfasst. Die Bahnstrecke bis zur afghanischen Grenze wird etwa 51 km lang sein und den Bau von 28 Brücken und 160 Entwässerungssystemen umfassen.

Das Projekt umfasst auch den Bau einer 1 km langen Eisenbahnbrücke über den Fluss Panj. Die Linie gehört zu dem Eisenbahnprojekt Turkmenistan-Afghanistan-Tadschikistan. Sie ist Teil einer regionalen Verkehrsinitiative, die einen neuen Transitkorridor zwischen Zentralasien und den Weltmärkten über die Häfen des Indischen Ozeans eröffnen wird.

UKRAINE / FÖRDERUNG: ERLEICHTERTE EINFUHR VON ENERGIEAUSRÜSTUNG

Das ukrainische Parlament hat Vergünstigungen für die Importe wichtiger Ausrüstung zur Energieerzeugung beschlossen. Die am
16. Juli 2024 verabschiedeten Gesetze Nummer 11258 und 11259 sehen vor, dass die Einfuhren einer Reihe von Anlagen, Teilen und Komponenten dafür von der Entrichtung der Mehrwertsteuer sowie der Importzölle befreit werden. Die Bestimmungen gelten für die Dauer des Kriegsrechts, maximal jedoch bis zum 1. Januar 2026.

In der Liste der begünstigten Ausrüstungen nicht enthalten sind dagegen elektrische Generatoren und rotierende elektrische Umrichter für Windkraftanlagen (Zolltarifnummer 8502.310000). Diese Teile seien für Windturbinen unerlässlich, kritisiert der Fachverband Ukrainian Wind Energy Association (UWEA) scharf. Die neuen Gesetze heben zwar die Abgaben für bestimmte Komponenten und Ersatzteile von Windturbinen auf. Das gilt jedoch nicht für komplette Turbinen.

„Wir können zum Beispiel eine Gondel oder ein Getriebe separat importieren und müssen dafür keine Steuern zahlen. Für den Import einer kompletten Windturbine gibt es jedoch keine Ausnahme“, erläuterte die Leiterin der Analytikabteilung beim UWEA Kateryna Knysh. Das werde den Ausbau der Windenergie in der Ukraine deutlich verlangsamen, befürchtet sie. Dabei hätte die Ukraine das Potenzial, innerhalb weniger Jahre bis zu 3 GW an entsprechenden Kapazitäten zu schaffen.

Energieminister German Galushchenko begrüßte dennoch die neuen Gesetze. Er ist sich sicher, dass die dort beschlossene Abgabenbefreiung die Wiederherstellung von Energiekapazitäten und die Entwicklung dezentraler Erzeugung beschleunigen und so zu mehr Versorgungssicherheit des Landes beitragen wird.

Zuschüsse für Solarkollektoren und Wärmepumpen

Die Bedingungen dafür werden auch durch neue Förderprogramme verbessert. Bei entsprechenden Investitionen sind vergünstigte Kredite für Unternehmen und Haushalte geplant. Dazu zählen beispielsweise zinslose Darlehen für private Haushalte, die kleinere Solar- und Windkraftanlagen installieren wollen.

Im Rahmen des vom ukrainischen Fonds für Energieeffizienz initiierten GreenDIM-Programms werden Zuschüsse für die Beschaffung von Solarkollektoren und für Wärmepumpen verfügbar. Außerdem wird der Staat 70 % der Projektkosten erstatten.

Zusätzlich sollen vergünstigte Kredite für kleine und mittlere Unternehmen zur Installation von gasbetriebenen Stromerzeugungsanlagen und zur Entwicklung alternativer Stromerzeugung verfügbar gemacht werden. Ferner sollen der bürokratische Aufwand bei der Antragstellung verringert sowie der Netzanschluss vereinfacht und dessen Realisierung verkürzt werden.

Bereits verbessert wurden die Bedingungen des staatlichen Programms „Erschwingliche Kredite 5-7-9 %“. Seit Juli 2024 können zinsgünstige Darlehen auch für den Kauf und Installation von Solar- und Windkraftanlagen beantragt werden. Das wird die Nachfrage privater Haushalte und von Unternehmen nach kleinen Energieanlagen weiter ankurbeln.

Erste Kredite dieser Art sind bereits vergeben worden. Die Sense Bank finanziert im Rahmen des Förderprogramms den Bau einer Solaranlage mit 1 MW Leistung in Czernowitz mit einem Darlehen von umgerechnet 0,3 Mio Euro und einer Laufzeit von fünf Jahren. Auch andere Banken, wie beispielsweise die PrivatBank, vergeben bereits ähnliche Kredite oder kündigten solche an.

UKRAINE / INFRASTRUKTUR: WIEDERAUFBAU DER WASSERVERSORGUNG

Die ukrainische Wasser- und Abwasserwirtschaft leidet unter den Folgen des russischen Angriffskrieges. Nach zwei Kriegsjahren sind nur noch 1.000 der rund 2.600 Wasserversorger voll funktionsfähig. Bis dato wurden 583 Betriebe und 1.100 km Wasser- und Abwasserleitungen zerstört oder schwer beschädigt.

Diese konnten nur teilweise wiederaufgebaut werden. Die Produktionsmenge an Frischwasser sank im Jahr 2023 um 15 %, nach einem Rückgang um ein Drittel im Jahr 2022. Derzeit haben rund 8 Mio Menschen nur eingeschränkten Zugang zu einer funktionierenden Wasserver- und Abwasserentsorgung.

Wie die ukrainische Wasserwirtschaft in Kriegszeiten funktioniert, wo akuter Bedarf besteht und wie deutsche Firmen sich am Wiederaufbau beteiligen können, diskutierten Fachexperten auf der Leitmesse IFAT auf einem Panel, organisiert von German Water Partnership (GWP), GTAI und der Plattform Wiederaufbau Ukraine.

Akut gefragt sind vor allem Lösungen zur Filterung und Aufbereitung von Trinkwasser sowie zur Reduzierung von Wasserverlusten beim Transport. Darüber hinaus müssen die zerstörten und beschädigten Wasserwerke, Pipelines und Kanäle, größtenteils noch aus Sowjetzeiten, wiederaufgebaut werden. Zudem benötigen Wasserversorger Lösungen zur Energie- und Ressourceneffizienz. Doch zahlreiche kommunale Betriebe verfügen aufgrund niedriger Tarife nur über begrenzte finanzielle Ressourcen. Hinzu kommen systemische Herausforderungen wie Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen oder Fachkräftemangel.

Mehrbedarf durch Kriegsmigration muss gedeckt werden

Da das Territorium der Ukraine nicht gleich schwer vom Krieg betroffen ist, sind die Bedarfe in den westlichen und zentralen Regionen andere als im Süden und Osten des Landes. „Wir müssen den Mehrbedarf an sauberem Wasser decken, der durch die Binnenmigration aus den umkämpften Regionen entstanden ist“, berichtet Dmytro Vankovych, Geschäftsführer des kommunalen Wasserbetriebs Lvivvodokanal. Dazu müssten pro Jahr rund 100 Mio Euro investiert werden. „Engineering-Lösungen deutscher Firmen stehen bei uns hoch im Kurs“, ergänzt Vankovych.

In frontnahen Gebieten wie Mykolajiw geht es vorrangig darum, die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Vor dem Krieg bezog Mykolajiw über eine 70 km lange Pipeline Wasser aus dem Fluss Dnipro. Nach deren Zerstörung im Jahr 2022 und der Sprengung des Kachowka-Staudamms im Sommer 2023 war die Stadt von ihrer wichtigsten Wasserressource abgeschnitten. Aktuell haben etwa eine halbe Million Menschen keinen regulären Zugang zu sauberem Wasser.

Abhilfe schaffen will Mykolaiv Water Hub. Der Start-up-Akzelerator vereint die Expertise von Kommunen, Wasserversorgern, Technologielieferanten, Start-ups und Universitäten beider Länder, um die Wasserinfrastruktur in der südukrainischen Stadt wiederaufzubauen. Gemeinsam mit dem Unternehmen Wasser Hannover, der Partnerstadt von Mykolajiw, arbeitet Mykolaiv Water Hub an Lösungen zur Wasserver- und -entsorgung, der Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen und der Energieversorgung. Damit soll die Südukraine zu einer der innovativsten Regionen beim Wiederaufbau des Wassersystems werden.

Landwirte haben mit Engpässen zu kämpfen

Im Süden der Ukraine liegen mehr als 1 Mio ha landwirtschaftlicher Nutzfläche aufgrund beschädigter Bewässerungssysteme brach. Das bekommt auch Agrofusion zu spüren. Der größte Hersteller von Tomatenmark in der Ukraine benötigt für die Bewässerung der Anbauflächen jährlich 22 Mio cbm: „Dieses Wasser kommt vor allem aus dem Fluss Inhulez“, berichtet Olga Zhukova, Leiterin der Finanzabteilung bei Agrofusion. Das Bewässerungssystem besteht aus 460 km Kanälen und hat mehr als 60 Jahre auf dem Buckel.

Nach der Zerstörung des Kachowka-Damms musste die Bewässerung am linken Ufer des Dnipro vollständig eingestellt werden. Am rechten Flussufer sank der Grundwasserspiegel und damit die Wasserqualität. Gleichzeitig stieg der Salzgehalt des Bodens.

Im Jahr 2024 plant Agrofusion Modernisierungen. In einer Fabrik wird das Wasseraufbereitungssystem ausgetauscht, um den Wasserverbrauch um das Sechsfache zu senken. Die Energie für das Bewässerungssystem des Inhulez stellen künftig Solar- und Windkraftanlagen. Zudem benötigt Agrofusion Generatoren mit 8 MW Kapazität sowie neue Pumpen für die Bewässerung von Feldern. Zur Reinigung des Inhulez von technischen und natürlichen Verschmutzungen werden Filteranlagen beschafft.

GIZ unterstützt Annäherung an EU-Normen

Die Ukraine wird mittelfristig Mitglied der EU. „Daher wird es für kommunale Wasser- und Abwasserversorger Zeit, sich an europäische Normen und Standards anzupassen“, merkt Oleksandr Krawtschenko, Generaldirektor des Instituts für Öffentliche Infrastruktur (IKI) an. Derzeit müssten Anbieter mit zwei Projektdesigns antreten, eines nach internationalem und eines nach ukrainischem Recht, kritisiert Krawtschenko. Um ukrainische an internationale Normen anzupassen, startet IKI in Zusammenarbeit mit der GIZ und GWP ein Projekt zur technischen Regulierung.

GWP rief nach Kriegsbeginn einen Arbeitskreis im Regionalforum EECCA, das für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien zuständig ist, zum Wiederaufbau des ukrainischen Wassersystems ins Leben. „Dort treffen sich interessierte Mitgliedsunternehmen in regelmäßigen Abständen und diskutieren Lösungen zur Nothilfe und zum langfristigen Wiederaufbau“, beschreibt Geschäftsführer Boris Greifeneder die Aktivitäten seines Vereins. Mit Mykolaiv Water Hub unterzeichnete GWP im Februar 2024 ein Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit beim Wiederaufbau der lokalen Wasserinfrastruktur. Teil der gemeinsamen Arbeit ist auch die Einführung europäischer Standards in der Ukraine.

UKRAINE / INVESTITIONEN: WIEDERAUFBAU DES LOGISTIKSEKTORS

Im April dieses Jahres exportierte die Ukraine eine Rekordmenge von 13 Mio t an Produkten und übertraf damit die Zahlen vom Februar 2022. Der Anstieg der Exporte wurde insbesondere durch die Eröffnung eines alternativen Seekorridors im Schwarzen Meer im letzten Sommer beeinflusst, der es dem Land ermöglicht, unter anderem Getreide und Metalle zu exportieren.

Trotz des Verlusts von über 400.000 qm hochwertiger Lagerflächen bleibt die Region Kyjiw das wichtigste Logistikzentrum des Landes, da Unternehmen aus den Kriegsregionen ihre Vertriebszentren näher an die Hauptstadt verlegen.
Von den westlichen Regionen der Ukraine sind die Regionen Lwiw und Wolhynien die vielversprechendsten. Sie verfügen über optimale Straßen- und Schienenverbindungen und eine Grenze zur EU. Derzeit gehen circa 60 % der ukrainischen Exporte über diese Regionen in die EU.

Die wachsende Nachfrage nach Logistikknotenpunkten, multimodalen Terminals, Öllagern und Getreidesilos bietet einerseits zahlreiche Investitionsmöglichkeiten und erfordert andererseits von den Investoren eine schnelle Entscheidung über den Einstieg in diesen Markt. Mit der Wiederbelebung der Getreideexporte über das Schwarze Meer steigen die Aussichten auf Investitionen in die Sanierung der Getreidelagereinrichtungen in den ukrainischen Seehäfen und der sie versorgenden Infrastruktur. Bis heute sind mehr als 200 Hafeninfrastrukturanlagen in der Ukraine durch russische Angriffe ganz oder teilweise zerstört worden.

Staat schafft neue Fördermöglichkeiten

Unter Berücksichtigung der jetzigen Situation werden Investoren seit September 2023 neue Formen der staatlichen Unterstützung für Großinvestitionsprojekte angeboten und neue Investitionsmöglichkeiten für sie geschaffen. Um eine Förderung durch den ukrainischen Staat zu erhalten, muss das Investitionsvolumen während der Laufzeit des Logistikprojektes (maximal 5 Jahre) den Betrag von 12 Mio Euro überschreiten.
Unterstützt werden die Investoren unter anderem durch:

  • die Befreiung von der Körperschaftssteuer für 5 Jahre sowie von der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer und der Zollgebühr bei der Einfuhr von neuen Ausrüstungen,
  • Bau von für das Investitionsprojekt notwendigen Ingenieur- und Transportinfrastrukturobjekten (Autostraßen, Fernmeldeleitungen, Wärme-, Gas-, Wasser- und Energieversorgungsanlagen) beziehungsweise Entschädigung entsprechender Kosten,
  • Entschädigung der für den Anschluss und die Verbindung mit den Ingenieur- und Verkehrsnetzen erforderlichen Kosten.

Die staatliche Förderung darf gemäß dem speziellen Investitionsvertrag 30 % der geplanten Gesamtmenge nicht überschreiten.

Transporttätigkeiten sind lizenzpflichtig 

Der Erwerb eines Logistikunternehmens ist für ausländische Investoren derzeit der effizienteste Weg, in der Ukraine in dieses Geschäft einzusteigen. Dies liegt vor allem daran, dass die Transporttätigkeit dort lizenzpflichtig ist und der Bau von Lagerhäusern nicht nur mit der technologischen Dauer der Prozesse verbunden ist, sondern unter anderem auch mit Fragen des Grundstückserwerbs, der Formalisierung von Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Lagerhäusern, der Vorbereitung von Dokumenten, die für die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen erforderlich sind.

Der Prozess des Erwerbs eines ukrainischen Logistikers hat eine allgemein typische M&A-Struktur (Share Deal), aber es ist wichtig, die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen. Ohne Berücksichtigung dieser Besonderheiten kann der Erwerb von Aktiva in der Ukraine zu einer langwierigen, kostspieligen und relativ riskanten Angelegenheit werden. Die Durchführung einer rechtlichen Due Diligence ist erforderlich.

Ein ebenso wichtiger Schritt ist die Durchführung der Transaktion. Diese Phase umfasst die Genehmigung der für die Transaktion erforderlichen Dokumente, die Unterzeichnung des Kaufvertrags und der Dokumente, die für Durchführung, Abwicklung und Eintragung der Änderungen im ukrainischen Handelsregister erforderlich sind.

Zu beachten ist, dass die rechtliche Kontrolle über die erworbene Firma nicht mit der Unterzeichnung der Verträge und der Bezahlungen auf den Käufer übergeht, sondern erst mit der Eintragung der entsprechenden Änderungen im Handelsregister.
Die Zusammenarbeit mit ukrainischen Logistikunternehmen kann durch eine breite Palette vertraglicher Beziehungen formalisiert werden. Dazu gehören Joint-Venture-Vereinbarungen mit oder ohne Gründung einer juristischen Person, Auftragnehmer- oder Dienstleistungsverträge.

Als Beispiel solch einer Kooperation gilt der Expressgutverkehr. Mit dem Wachstum des E-Commerce und der Zunahme von Online-Bestellungen steigt die Nachfrage nach Expresslieferungen in der Ukraine.
Die internationale Unterstützung für die Modernisierung und den Wiederaufbau des Landes konzentriert sich auf zwei Hauptbereiche: Ermutigung von Investoren, in Projekte zu investieren und direkte Unterstützung durch internationale Geberorganisationen.

Entwicklungsbanken wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die Weltbankgruppe sind in der Ukraine in den letzten 2 Jahren sehr aktiv.
Ein Beispiel für direkte internationale Hilfe ist das USAID-Projekt, das Zuschüsse für die Entwicklung der Logistik und des Exports bereitstellt. Das Projekt konzentriert sich auf die Stärkung der Logistik- und Exportkapazitäten des ukrainischen Agrarsektors, die Verbesserung von Prozessen und Verfahren, die die Fähigkeit zur Verwaltung von Exportladungen und die Integration mit der EU an den Grenzübergängen verbessern.

Naher Osten und mittlerer Osten

OMAN / TOURISMUS: MILLIARDEN FÜR DAS YITI-PROJEKT

Nach den Plänen der omanischen Regierung sollen bis 2040 etwa 31 Mrd US-Dollar in die Entwicklung des Tourismussektors fließen. Unterstaatssekretär Azzan Qassim Al Busaidi spricht von aktuell 360 Projekten im Wert von 5,9 Mrd Dollar. Details zu diesen Zahlen sind aber nicht verfügbar.

Der Staat ist vor allem mit der 2005 gegründeten Oman Tourism Development Company (Omran) im Tourismussektor aktiv. Die notwendigen Milliardeninvestitionen werden aber im Wesentlichen von privaten, in- und ausländischen Unternehmen erwartet. Bei Großprojekten spielt Omran als Partner privater Investoren eine wichtige Rolle.

Die Strategie sieht bis 2040 eine Verdreifachung der ausländischen Besucher auf jährlich rund 12 Mio vor. Gemäß vorläufigen Daten für 2023 wurde mit 4 Mio Gästen ein neuer Spitzenwert erreicht. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einem Anstieg um fast 38 %. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ist es immerhin eine Steigerung um 14 %. Für Reisende gilt Oman wegen seiner landschaftlichen Vielfalt und hohen kulturellen Authentizität als besonders attraktiv. Die meisten Touristen besuchen Oman in den Monaten November bis März.

In vorläufigen Daten für das erste Quartal 2024 melden die 3- bis 5-Sterne-Hotels eine Erhöhung der Gästezahl gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 12 % auf 598.128. Die Auslastungsquote verbesserte sich von 54,4 auf 55,6 %, die Einnahmen stiegen um 8 % auf 187 Mio Dollar.
Im Gesamtjahr 2023 wurde bei der Gästezahl in den 3- bis 5-Sterne-Hotels gegenüber 2022 ein Zuwachs von 27 % auf 2,1 Mio erzielt. Die Auslastung erhöhte sich von durchschnittlich 44,9 auf 48,9 %.

Eines der größten Tourismusvorhaben ist die Entwicklung eines gebirgigen Küstenabschnitts, etwa 30 km südlich der Hauptstadt. Der Plan für das auf 4 Mrd Dollar geschätzte „Yiti Integrated Tourism Development Project“ sieht den umfassenden Neubau einer nachhaltigen Touristendestination in mehreren Phasen vor. Das Gesamtprojekt soll in etwa 10 Jahren fertiggestellt sein, besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen, Wohnraum schaffen und weitere Branchen anlocken, so die Erwartungen.

Für die erste Bauphase des Yiti-Projekts gründete Omran 2022 mit der SEE Holding aus Dubai ein Joint Venture, die Sustainable Development and Investment Company. Die Kosten der Phase 1 werden mit 1 Mrd Dollar kalkuliert. Das Projekt entsteht auf einer Fläche von 900.000 qm.

In der Phase 1 der Yiti-Tourismuszone beschränkt sich das Angebot für Übernachtungsgäste auf eine 80 Mio Dollar teure Hotelanlage, das Nikki Beach Resort, mit 140 Zimmern und 30 Ferien-Bungalows. Die lokale Dawood Contracting Company könnte das Hotel 2025 fertigstellen.

Der Großteil der Investitionen für die Phase 1 entfällt auf die öffentliche Infrastruktur und Wohngebäude. Unter anderem sind über 400 Wohnungen für 200 Mio Dollar, ein „Community Plaza“ für 195 Mio Dollar und ein Nahkältenetz für 24 Mio Dollar im Bau.

Eine weitere Yiti-Phase ist das 1,6 Mrd Dollar „AIDA“-Viertel mit 3.500 Villen sowie zwei Hotels mit 450 Zimmern. Projektbetreiber ist ein Joint Venture aus Omran und der saudi-arabischen Dar Al Arkan Real Estate Development Company. Die Infrastrukturarbeiten laufen. Über einen 200-Mio-Dollar-Auftrag für 266 Villen könnte in den nächsten Monaten entschieden werden.

Hotelinfrastruktur deutlich gewachsen

Die Zahl der Hotels stieg von 2010 bis 2022 von 229 auf 674. Zugleich hat sich die Zahl der Zimmer auf etwa 31.000 nahezu verdreifacht. Die Statistik für 2023 ist noch nicht verfügbar. Die Datenbank MEED Projects listet für 2023 nur vier fertiggestellte Hotelprojekte im Gesamtwert von 185 Mio Dollar.

Das größte 2023 finalisierte Vorhaben ist das 5-Sterne-Hotel und -Resort Shaza Salalah in der Provinz Dhofar. Die Ferienanlage für 125 Mio Dollar verfügt über 130 Zimmer sowie jeweils 85 Villen und Apartments. Investor ist das omanische Unternehmen Taameer Investment. Betreiber ist der Management-Konzern Shaza Hotels aus Dubai. Ein Termin für die Eröffnung ist jedoch noch nicht bekannt.

TÜRKEI / KONJUNKTUR: WIRKT DIE KEHRTWENDE DER GELDPOLITIK?

Die Parlamentswahlen im Mai 2023 markierten eine Wende in der türkischen Wirtschaftspolitik. Staatspräsident Erdogan vollzog einen Kurswechsel, um die Periode negativer Realzinsen und die starke Abwertung der Lira zu beenden.

Die Kommunalwahlen im März 2024 waren ein weiterer Anlass, zusätzliche Schritte in diese Richtung einzuleiten – mit einer Straffung der Finanzierungsbedingungen bei Banken, um die Wirtschaft zu stabilisieren, die ausufernde Inflation zu reduzieren und damit die makroökonomische Basis des Landes zu stärken.

Mitte 2021 startete die Türkei das Wirtschaftsprogramm „Yeni Ekonomi Modeli“ (YEM) mit dem Ziel, die Produktionsaktivität, Investitionen, Beschäftigung und Exporte anzukurbeln. Um diese Ziele zu erreichen, senkte die Zentralbank ihren Leitzins zwischen September 2021 und Mai 2023 von 19 auf 8,5 %. Hierdurch wurden die Finanzierungsbedingungen bei Banken gelockert, um höhere Investitionen zu ermöglichen und schlussendlich das Wirtschaftswachstum zu stärken.

Wirtschaftsprogramm schoss über das Ziel hinaus

Eine Leitzinssenkung bedeutet darüber hinaus eine Abwertung der heimischen Währung, wodurch Importe teurer und damit weniger attraktiv werden, während Exporte durch einen günstigeren Preis gestützt werden sollen. Hierdurch sollte auch das strukturelle Leistungsbilanzdefizit in einen Überschuss umgewandelt werden. Im Falle des YEM war die Reaktion jedoch extrem. Die türkische Lira wertete im angegebenen Zeitraum um fast 60 % gegenüber dem US-Dollar ab. Die Nachfrage stieg gleichzeitig explosiv an und brachte die Inflationsrate von 19,3 % im August 2021 auf bis zu 85,5 % im Oktober 2022.

Obwohl YEM wie geplant zu einer deutlichen Abwertung der Lira geführt hatte, blieb der gewünschte Effekt auf die Leistungsbilanz aus. Zwar legten zwischen 2021 und 2023 die türkischen Exporte nominal – also inklusive des Inflationseffekts – um 13,4 % zu, jedoch stiegen die Importe im gleichen Zeitraum um 33 % an. Zum einen war der Effekt der höheren Nachfrage durch günstige Finanzierungsmöglichkeiten größer als der negative Währungseffekt, zum anderen stiegen die Energiepreise exponentiell nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Das Handelsdefizit legte daher bis 2023 auf 106 Mrd Dollar (9,5 % des BIP) zu und lag 60 Mrd höher als im Jahr 2021 mit 46 Mrd Dollar, 6 % des BIP.

Folgen der negativen Realzinsen

Negative Realzinsen liegen vor, wenn die Inflation höher ist als der nominale Zinssatz. Die Periode negativer Realzinsen ermöglichte es türkischen Unternehmen, von günstigen Krediten zu profitieren, während ihre Aktivität aufgrund der hohen Nachfrage trotz hoher Inflation angekurbelt wurde. Besonders Firmen, deren Produktion mit hohen Investitionen einhergeht sowie solche mit hoher Preissetzungsmacht profitierten von dieser Situation.

Durch die geringen Finanzierungskosten stiegen die Margen und höhere Inputkosten konnten mit überhohen Verkaufspreisen an die Verbraucher weitergegeben werden. Trotz einer Explosion der Produktions- und Lohnkosten – plus 270 % der Lohnstückkosten zwischen 2021 und 2023 – ermöglichte somit das sehr niedrige Zinsumfeld den Unternehmen, ihre Rentabilität aufrechtzuerhalten.

3 % reales BIP-Wachstum prognostiziert

Die Einführung konventionellerer wirtschaftlicher Maßnahmen ab Juni 2023 ging mit einer Erhöhung des Leitzinses der türkischen Zentralbank von 8,5 auf 50 % und einem Anstieg der Zinssätze für Unternehmenskredite auf 70 % einher. Ziel ist es, den Anstieg der Inlandsnachfrage zu drosseln, die Inflation zu reduzieren und die Lira zu stabilisieren. Diese Kehrtwende soll helfen, die Wirtschaft mittelfristig ins Gleichgewicht zu bringen.

Prognosen für 2024 sagen ein reales BIP-Wachstum von 3 % voraus – deutlich unterhalb des Potentialwachstums von 5 % -, begleitet von einem allmählichen Rückgang der Inflationsrate auf 43 % bis zum Jahresende. Das Leistungsbilanzdefizit, das zwischen den ersten Quartalen 2023 und 2024 um 14 Mrd Dollar zurückging, sollte weiter schrumpfen und der Wirtschaft zusätzliche Stabilität verleihen.

Wenn es türkischen Unternehmen gelingt, sich an diese Veränderungen – neue Finanzierungsbedingungen, Erholung der Auslandsnachfrage, regionale Kooperationsinitiativen wie das Projekt „Der Mittlere Korridor“, das Europa und Asien über den Kaukasus und das Kaspische Meer verbinden soll – anzupassen, könnten sie langfristig von einem nachhaltigen und stabilen Wirtschaftswachstum profitieren.

VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE / INFRASTRUKTUR: AL MAKTOUM WIRD ZUM MEILENSTEIN

Im April 2024 kündigte Sheikh Mohammed bin Rashid al-Maktoum, der Herrscher von Dubai, eine Investition von rund 35 Mrd US-Dollar an, um den Flughafen zu einem der größten weltweit auszubauen. Paul Griffiths, CEO von Dubai Airports, betont, dass das Vorhaben Dubais Rolle als globales Luftfahrtdrehkreuz weiter festigen und auch den Tourismus und die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt fördern soll.

Der Al Maktoum International Airport (DWC) wird auf einer Fläche von über 70 qkm im Süden von Dubai ausgebaut. Geplant sind fünf parallele Start- und Landebahnen sowie fünf Terminal-Gebäude mit 400 Flugsteigen. Mit einer geplanten Passagierkapazität von 260 Mio pro Jahr nach der letzten Ausbaustufe wird der neue Flughafen knapp dreimal so groß sein wie Dubais bisheriger Hauptflughafen DXB und die weltweit größte Passagierkapazität aufweisen.

Am DWC sollen Kapazitäten für einen Frachtumschlag von 12 bis 15 Mio t pro Jahr entstehen. Das ist deutlich mehr als die 3 Mio, die der Aiport DXB bislang abfertigen kann.

Der Tourismus trägt fast 12 % zum Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Arabischen Emirate bei. Ähnlich hoch ist der Anteil der Branche am Arbeitsmarkt. Der Sektor beschäftigt hauptsächlich ausländische Arbeitskräfte und steht im Fokus der Diversifizierungsstrategie, die Rolle des privaten Nichtölsektors zu fördern. Dubai ist der wichtigste Reise- und Tourismushub der Region.

Dubais bisheriger Haupt-Airport DXB gehört mit 86,9 Mio Passagieren im Jahr 2023 zu den weltweit meistfrequentierten internationalen Flughäfen im Personenverkehr. Er belegt damit Platz 2 nach dem Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport. Die Gesamtpassagierkapazität des DXB liegt bei 95 Mio. Da die Auslastung der Kapazität 2023 bereits bei rund 91 % lag, ist ein weiteres Wachstum nur eingeschränkt möglich.

Wettbewerb nimmt zu 

In der Region waren 2023 die Flughäfen in Doha mit rund 42 Mio und Riad mit
35,7 Mio Passagieren die größten Konkurrenten. Saudi-Arabien stellte Ende 2022 den Masterplan für den King Salman International Airport vor. Der Flughafen soll bis 2030 eine Kapazität von 120 Mio Passagieren erreichen und 2050 sogar 185 Mio jährlich abfertigen können. Der regionale Wettbewerb nimmt zu und erhöht den Druck auf Dubai, seine Position als führendes Luftfahrtdrehkreuz in der Region zu verteidigen.

Von dem Ausbau des DWC profitieren insbesondere die Luftfahrtindustrie, Logistikunternehmen, Tourismus- und Gastgewerbe, die Bau- und Immobilienwirtschaft sowie Technologie- und Innovationsfirmen.

Internationale Flughafengesellschaften und Airlines positionieren sich durch Kooperationen, Investitionen und den Ausbau ihrer Flotten, berichtet ein Branchenkenner. Bau- und Infrastrukturunternehmen beteiligen sich an Ausschreibungen für Entwicklungsprojekte. Technologieunternehmen bieten Lösungen für Flughafenmanagement, Sicherheitssysteme und Passagierdienste, erklärt er weiter.

Für deutsche Unternehmen bieten sich besonders gute Chancen in den Bereichen Bau und Infrastruktur, Technologie und IT sowie Logistik und Transport. Die Expertise und der gute Ruf von Bauunternehmen aus Deutschland sowie innovative Lösungen deutscher Technologieanbieter sind hier von Vorteil, sagt Markus Brandt, Senior Consultant bei der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer, in einem Interview mit GTAI.

Herausforderungen bestehen jedoch in der Komplexität und dem Umfang des Projekts. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Bewältigung der hohen Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften und spezialisierten Auftragnehmern. Zudem könnten potenzielle Verzögerungen und Kostenüberschreitungen auftreten.

Insgesamt bietet der Flughafenausbau in Dubai zahlreiche Möglichkeiten, erfordert jedoch ein strategisches Vorgehen und die Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten.

Welt

WELT / FÖRDERUNG: GCF UNTERSTÜTZT 17 NEUE PROJEKTE

Der Green Climate Fund (GCF) hat die Finanzierung von 17 neuen Projekten in Höhe von insgesamt 1 Mrd US-Dollar bewilligt. Die Entscheidung traf der Aufsichtsrat des größten Klimafonds der Welt bei seiner Sitzung Mitte Juli 2024 in Südkorea.

Damit steigt die Förderung von Klimaschutzprojekten durch den Klimafonds auf insgesamt rund 15 Mrd Dollar für 270 Projekte an, wie der GCF in einer Pressemitteilung bekannt gab.

Bei der Auswahl der neuen Projekte spielten insbesondere zwei Kriterien eine Rolle. Einerseits haben Projekte Beachtung gefunden, die die Anpassung an den Klimawandel als Haupt- oder Nebenziel haben. Zudem bewilligte der Klimafonds Projekte in einigen der am wenigsten entwickelten Ländern der Welt, LDC (Least Developed Countries).

Der GCF will zum Beispiel ein Projekt finanzieren, das die Landwirtschaft in den Ländern am Horn von Afrika klimaresilienter machen soll. Auch kleine Inselentwicklungsländer erhielten eine besondere Aufmerksamkeit vom GCF bei der Bewilligung der neuen Projekte. Kleine Inseln leiden besonders stark unter dem Klimawandel. Um dem entgegenzuwirken, will der Fonds zum einen Klimaschutzinvestitionen in der Karibik gezielt unterstützen. Aber auch der pazifische Inselstaat Tonga soll dank GCF-Geldern resilienter werden und seine Küsten besser schützen können.

So will der GCF seinem Mandat nachkommen: Der Fonds ist verpflichtet, seine Investitionen für den Klimaschutz gleichermaßen zwischen Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen zu verteilen. Gleichzeitig hat er den Auftrag, insbesondere die LDC finanziell zu unterstützen.

Während Eindämmungsmaßnahmen den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren sollen, geht es bei der Anpassung darum, klimabezogene Risiken zu minimieren. Im Rahmen der internationalen Bemühungen zur Klimafinanzierung sind Anpassungsaktivitäten von Anfang an unterfinanziert gewesen und sind es bis heute. Dabei sind Anpassungsmaßnahmen kritisch für Entwicklungsländer, darunter speziell für die LDC, die den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten ausgesetzt sind.

Akkreditierte Partner regeln Umsetzung

Der GCF setzt die Projekte nicht selbst um, sondern arbeitet mit Partnern zusammen. Dazu müssen Organisationen eine Akkreditierung vom Klimafonds erhalten. Mittlerweile sind über 100 Organisationen weltweit vom GCF akkreditiert. Unter ihnen befinden sich multilaterale Banken, lokale Institutionen, Finanzinstitutionen für Entwicklung, Organisationen der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen.

Auch bilaterale Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit sind für die Durchführung von GCF-Projekten akkreditiert und setzen Klimaschutzprojekte mit Mitteln aus dem Fonds um. Von den neu bewilligten Projekten werden drei von europäischen Institutionen umgesetzt:

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit wird ein Projekt zur Verbesserung der meteorologischen Dienste und von Frühwarnsystemen in Albanien durchführen. In Lateinamerika wird die französische Entwicklungsagentur Agence Française de Développement ein E-Mobilitäts-Vorhaben umsetzen. Die luxemburgische Entwicklungsagentur LuxDev wird ein Vorhaben zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel in Vietnam umsetzen.

Die Durchführungsorganisationen sind die relevanten Anlaufstellen für Unternehmen, die sich an den Klimaprojekten des GCF beteiligen möchten.
Der Fonds wurde 2010 während der 16. UN-Klimakonferenz in Cancún gegründet. Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 fungiert der Fonds als Hauptinstrument für die globale Klimafinanzierung. Der GCF hat das Mandat, Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, ihre nationalen Klimabeiträge NDC (Nationally Determined Contributions) umzusetzen. Bei den NDC legen alle Länder fest, wie sie ihre nationalen Treibhausgas-Emissionen reduzieren und sich an den Klimawandel anpassen wollen.

WELT / WASSERVERSORGUNG: PROJEKTE DER WELTBANK BIETEN ZULIEFERCHANCEN

Die Weltbank finanziert eine Vielzahl von Wasser- und Abwasserprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländern, aus denen oftmals internationale Ausschreibungen resultieren. Schnell wurde jedoch den beteiligten Unternehmen klar, dass die Struktur und Arbeitsweise der Weltbankgruppe nicht leicht zu durchschauen ist.

Sie besteht aus verschiedenen Tochterinstitutionen. Bei der Finanzierung und Absicherung von privaten Wasserprojekten spielen etwa die International Finance Corporation (IFC) und die Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) eine wichtige Rolle. Die International Bank for Reconstruction and Development (IBR) und International Development Agency (IDA) konzentrieren sich im Gegenzug auf öffentliche Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Für das Thema Wasser gibt es eine eigene Abteilung in der Weltbank. Darüber hinaus leitet die Bank Trust Funds und Initiativen, die sich mit dem Wassersektor befassen. Die größte ist die Global Water Security & Sanitation Partnership.

In den Programmen und Projekten geht es nicht nur um die Bereitstellung von Trinkwasser und das Management von Abwasser. Die Erschließung und Bewahrung von Wasserquellen, die Flutvorsorge sowie die landwirtschaftliche Bewässerung werden in Zeiten des globalen Klimawandels immer wichtiger. Die Herausforderungen sind enorm. Laut Angaben der Weltbank haben Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder sanitären Anlagen. Rund 90 % des Abwassers in Entwicklungsländern werden ungeklärt in Flüssen oder im Meer entsorgt. Die Probleme dürften sich in den kommenden Jahren deutlich vergrößern, vor allem durch den Klimawandel.

Auch bei den finanziellen Ressourcen ist eine bessere Verteilung vonnöten. So belaufen sich die jährlichen weltweiten Subventionen in den Wassersektor auf rund 320 Mrd US-Dollar. Doch nur rund 6 % kommen bei den 20 % der Ärmsten an. Um allen Menschen Zugang zu Trinkwasser und Sanitäranlagen zu ermöglichen, wären Weltbank-Schätzungen zufolge jährliche Investitionen in Höhe von fast 150 Mrd Dollar notwendig. Die Hälfte der Gelder müsste in die Region Subsahara-Afrika fließen.

Die Weltbank kann nur einen Teil dieser Mittel aufbringen. Ihr Gesamtportfolio belief sich 2023 auf knapp 37,7 Mrd Dollar weltweit. Die Global Water Security & Sanitation Partnership beriet neue Projekte mit einem Volumen von 13,5 Mrd.

Gemäß der IFC stammen 90 % aller globalen Investitionen in die Wasserwirtschaft aus dem öffentlichen Sektor. Der Privatsektorarm der Weltbank will private Projekte, etwa in PPP-Form, fördern. Sie stellt nicht nur Kapital zur Verfügung, sondern bietet auch Beratungsleistungen und ein Netzwerk an Kontakten. Bei öffentlichen Ausschreibungen unterstützt sie Unternehmen, die den Projektzuschlag erhalten haben, indem sie sich etwa an der Firma finanziell beteiligt und ihr beim Marktwachstum hilft.

Bei der Ausschreibungspraxis der Weltbankprojekte gab es zum 1. September 2023 eine wichtige Reform. Bereits seit 2016 haben ausschreibende Stellen die Möglichkeit, Qualität und Nachhaltigkeit stärker zu berücksichtigen. Mit der neuen Reform wird dies jetzt verpflichtend.